Im jahrelangen Streit um die Zukunft des Bürgerspital-Geländes in Amberg haben nun die Bürger die Entscheidungsgewalt. Der Amberger Stadtrat hat gestern Abend in seiner Sitzung das Bürgerbegehren für zulässig erklärt und einstimmig für den 26. September einen Bürgerentscheid angesetzt.
Gleichzeitig wurde ein Ratsbegehren beschlossen, in dem die Stadt das selbe Problem aus ihrer Perspektive in eine gegenteilige Fragestellung münden lässt. Es geht um die Pläne des Investors Ten Brinke, an der Stelle des früheren Bürgerspitals ein Quartier mit Wohnraum, Dienstleistung, Gewerbe, einem Supermarkt und einer Tiefgarage zu bauen. Dagegen hat die IG Menschengerechte Stadt e.V. ein Bürgerbegehren angestrebt. Das Bauvorhaben sei mit rund 5000 Quadratmetern und durch seine Funktionen und Optik für die Innenstadtentwicklung äußerst bedenklich. Das geschützte Stadtbild werde dauerhaft beschädigt, zudem gebe die Stadt mit dem Verkauf des „Tafelsilbers“ Ambergs ihre Handlungsmöglichkeiten bei der Stadtentwicklung aus der Hand. Nicht einmal Auflagen zum sozialen Wohnungsbau gebe es – obwohl das Gelände aus einer 700 Jahre alten königlichen Stiftung stamme und sozialen Zwecken im Sinne des Bürgertums dienen sollte. Deshalb: „das Verfahren zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan Amberg 155 „Bürgerspitalareal II nicht weiter verfolgen!“
Dieses Bürgerbegehren wurde gestern offiziell für gültig erklärt und mündet am Tag der Bundestagswahl in einen Bürgerentscheid. Hier kann der Bürger mit Ja antworten, wenn er statt des geplanten Verfahrens ein neues Verfahren für eine andere Bebauung unter Einbeziehung von Denkmal- und Klimaschutz wünscht.
Dem setzt aber die Stadt Amberg nun ein Ratsbegehren entgegen. Auch hier kann der Bürger mit Ja stimmen, wenn er genau das Gegenteil will:
„Sind sie dafür, dass das Bebauungsplanverfahren zum Projekt „Leben am Spitalgraben (Bürgerspitalareal II) fortgeführt wird, damit das vom Stadtrat beschlossene Wettbewerbsergebnis für barrierefreies Wohnen für Jung und Alt, für eine attraktive Nahversorgung und eine Quartiersgarage für die Bewohnerinnen und Bewohner der Altstadt, für eine zeitgemäße, innenstadtgerechte und ökologische Architektur mit hoher Aufenthaltsqualität, für die nachhaltige Entwicklung Ambergs umgesetzt werden kann?“ – so die Fragestellung.
Als suggestiv und irreführend kritisiert Achim Hüttner von der IG Menschengerechte Stadt das Ratsbegehren. Die Architektur sei weder ökologisch und innenstadtgerecht, noch beinhalte sie eine hohe Aufenthaltsqualität, so Hüttner. Die Nahversorgung sei nicht attraktiv, sondern wohl überdimensioniert, ergänzt Professor Martin Frey, Fraktionssprecher von Die Liste Amberg. Statt dessen könnte man über einen Bereich mit regionalen Lebensmittelständen oder einer kleinen Markthalle ähnlich dem Viktualienmarkt in München nachdenken.
Die IG Menschengerechte Stadt e.V. startet nun eine Informationskampagne. Man wolle die Bürger über die Wahrheit des suggestiven Ratsbegehren aufklären.
Das Ratsbegehren sei auch unnötig, da der Bürger ja schon beim Bürgerentscheid seinen Willen kund tun könne.
Oberbürgermeister Michael Cerny (CSU) verteidigt das Ratsbegehren. Die Fragestellung des Bürgerentscheids sei aus Sicht der Gegner gestellt, es sei durchaus legitim, dass auch die Befürworter eine Fragestellung vorlegen. Es biete den Bürgern zusätzliche Informationen auf dem Wahlzettel.
Der Stadtrat sah das genauso und stimmte einstimmig für das Ratsbegehren, ebenfalls am 26. September 2021.
(gb)