Seit vergangenem Jahr gilt es: Das inklusive Wahlrecht für alle. Auch Menschen mit Behinderung, die bis dahin vom Wählen ausgeschlossen waren, sind nun aufgerufen, ihr Kreuzchen zu machen. Betroffen sind davon mehr als 80 Tausend betreute Menschen in Deutschland. Das Wählen ist Menschen mit Behinderung nun zwar erlaubt – doch Hürden in der Umsetzung gibt es immer noch.
In den Jura-Werkstätten Amberg-Sulzbach will man möglichst viele dieser Barrieren abbauen: Für die Mitarbeiter werden deswegen vor der Wahl Schulungen organisiert. Julia Stang, Gruppenleiterin im Berufsbildungsbereich, führt regelmäßig Kurse für die Werkstattmitarbeiter durch. Aktuell steht dabei natürlich die Wahl im Mittelpunkt, doch Politik sei immer ein Thema in der Einrichtung.
In der Wahlschulung geht sie die Basics durch: Was wird gewählt und wie muss der Stimmzettel ausgefüllt werden? Für die Menschen mit Lernbehinderung sei häufig das Lesen des Stimmzettels ein Problem – und der ist bei der Kommunalwahl schließlich besonders eng bedruckt. Und auch Zusammenzählen der Stimmen bereitet manchen Menschen mit Lernbehinderung Probleme. Manchmal sei deswegen technische Unterstützung durch Wahlhelfer nötig.
Hilfe für Menschen mit Lernbehinderung bietet zum Beispiel eine Broschüre, herausgegeben vom bayerischen Behindertenbeauftragten. Sie erklärt die Kommunalwahl in leichter Sprache. Von den 450 Werkstattmitarbeitern haben etwas mehr als die Hälfte eine Betreuung in allen Angelegenheiten. In der Werkstatt wollen und sollen sie schon länger mitbestimmen. Dort gibt es eine Mitarbeitervertretung in Form eines Werkstattrats. Der Wille zur Politik sei da, so Verena Heilmann vom Sozialdienst.
Die Kommunalwahl ist die erste in Bayern, bei der die Gesetzesänderung richtig greift. Genau genommen ist die Regelung wenige Tage vor der Europawahl schon beschlossen worden. Für die Aufnahme ins Wählerverzeichnis war das aber zu knapp. Damals kamen acht Anträge beim Amberger Wahlamt von betreuten Menschen an, die ihre Wahlunterlagen anforderten, so Martin Schafbauer vom Wahlamt.
Auch wenn man sich im Wahlamt Amberg dafür einsetzt, das Wählen möglichst barrierefrei zu gestalten: Schwachpunkte im System gibt es immer noch. Blinde Menschen zum Beispiel sind auf eine Hilfsperson beim Vergeben ihrer Kreuzchen angewiesen, eine geheime Wahl kommt also nicht in Frage. Und auch Wahlprogramme in leichter Sprache sind bisher eher die Ausnahme als die Regel. Einige Hürden gilt es also – trotz des inklusiven Wahlrechts für alle – noch zu überwinden.
(az)