Rund 106.800 Menschen seien bislang in Deutschland genesen – so die Schätzung des Robert-Kochs-Instituts bei der Pressekonferenz zur aktuellen Corona-Situation heute Vormittag. Dort nannte Prof. Lars Schaade, der Vizepräsident des RKI, jedoch auch weitere Zahlen und er mahnte ausdrücklich, dass man jetzt nicht nachlässig werden dürfe.
In Deutschland seien bis heute um 0 Uhr insgesamt 150.383 Covid-19 Fälle dem RKI übermittelt worden, so Schaade, die Differenz zum Vortag liege hier bei 2.337 Fällen. Mit dem heutigen Tag belaufe sich die Zahl der Todesfälle auf 5.321 – ein Plus von 227 im Vergleich zum Vortag. Die Inzidenz betrage heute 181 Fälle auf 100.000 Fälle – jedoch variiere diese Gesamtinzidenz stark innerhalb Deutschlands. So gebe es in Bayern bisher in der gesamten Epidemie 305 Fälle auf 100.000 Einwohner, in Mecklenburg-Vorpommern dagegen 41 Fälle auf 100.000 Einwohner. Die Reproduktionszahl liege – mit dem Datenstand von gestern – bei 0,9 – so die Zahlen, die Schaade als Vertreter des RKI, nannte.
Der Vizepräsident des RKI las auch die Fälle und Sterbefälle anderer Länder vor, in diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass dieser Anteil der Verstorbenen nicht der Letalität der Covid-19-Erkrankung entspräche, da Meldedaten immer eine gewisse Untererfassung haben würden. Diese Untererfassung sei in Deutschland zur Zeit nicht genau bekannt. Es gebe erste Hinweise aus Studien, dass die Letalität ungefähr um den Faktor drei liegen könnte, weitere Studien für weitere Eingrenzungen seien in Planung, so der Vizepräsident des RKI.
Weltweit seien aktuell mehr als 2,5 Millionen Fälle bekannt, wobei nahezu alle Länder betroffen seien. Besonders aktiv sei das Ausbruchsgeschehen in Nordamerika und Europa. In der Pressekonferenz richtete Schaade seinen Blick auch insbesondere auf das Thema Übersterblichkeit, welche in den letzten Tagen häufig diskutiert worden sei. Übersterblichkeit beschäftigt sich mit der Frage: „Wie viele Menschen sterben derzeit mit Covid-19 mehr als es ohne die Epidemie/Pandemie der Fall wäre?“. Es gebe hierzu aus vielen Ländern bereits erste zuverlässige Zahlen, so Schaade. Dies sei dann eben nicht der Anteil unter den verstorben Gemeldeten, sondern eine bevölkerungsbezogene Übersterblichkeit im Verhältnis zu einer Basislinie, so seine Erklärungen. Dort sehe man, dass einige Länder in Europa derzeit eine wesentlich höhere Sterblichkeit haben würden, dies sei beispielsweise in Italien, Frankreich und Spanien der Fall. Diese Zahlen würden sich aus aus dem europäischen Projekt „EuroMOMO“ ergeben. Trotz der massiven Maßnahmen, die einige dieser Länder ergriffen hätten, sei die Übersterblichkeit dort in diesen Ländern bereits jetzt deutlich höher als dies bei schweren Grippewellen der Fall sei, die Linie der Sterblichkeit würde hier noch weiter steil nach oben gehen, erläuterte der Vizepräsident. In manchen Ländern sei diese Übersterblichkeit bereits Mitte und Ende März zu verzeichnen gewesen. Man sehe diese Übersterblichkeit gepoolt, wenn man die verschiedenen Länder gemeinsam betrachte, so Schaade, auch für ganz Europa, vor allen Dingen bei den über 65-Jährigen, aber auch bei den 15-65-Jährigen.
Im Anschluss ging er auf das Thema Übersterblichkeit in Bezug auf Deutschland ein. In Deutschland sehe man zurzeit keinen solchen Anstieg, wie in den anderen Ländern. Dies liege einerseits daran, dass man hier keine flächendeckende Erfassung habe, sondern lediglich in einigen Bundesländern, zudem gebe es auch immer einen gewissen Zeitverzug, der hier eine Rolle spiele, aber dennoch müsse man davon ausgehen, dass in Deutschland bislang viele Todesfälle verhindert werden konnten. Und zwar auch aufgrund der frühzeitig eingeführten starken Eindämmungsmaßnahmen. „Ich möchte noch einmal betonen, bei der Diskussion, die zurzeit läuft, es wurden dabei sicherlich nicht nur Todesfälle durch Covid-19 verhindert, sondern eben auch andere Todesfälle, die geschehen wären, wenn das Gesundheitssystem überlastet und kollabiert wäre“ – machte in diesem Zusammenhang der Vizepräsident deutlich.
Dies zeige, wie viel man in Deutschland bislang gemeinsam erreicht habe. Jedoch: „Das Paradoxe an dieser Situation ist aber: Durch den Erfolg der Maßnahmen, dadurch, dass wir keine massive Überlastung des Gesundheitssystems, keine massiven Todeszahlen haben, werden die Maßnahmen jetzt von manchen in Frage gestellt“, mahnte Schaade. Er machte deutlich, dass man in Deutschland bislang rund 5.300 Todesfälle innerhalb nur weniger Wochen gehabt habe, das sei schlimm genug – und es würden leider auch noch mehr Menschen sterben. „Und was die Maßnahmen betrifft: Dass wir in Deutschland bislang vergleichsweise gut durch die Epidemie gekommen sind, haben wir – wie gesagt – den Maßnahmen zu verdanken“ – so Schaade: „Wir dürfen jetzt nicht nachlässig werden“. Gerade im Hinblick auf die ersten Lockerungen – diese dürften jetzt nicht zu einem Erdrutsch an weiteren Lockerungen führen, mahnte Schaade. Denn wenn es wieder mehr Kontakte unter den Menschen gebe, dann werde es auch wieder mehr Ansteckung geben, erläuterte er und machte dabei die Sorge vor einer möglichen neuen Dynamik deutlich, die dann zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führen könnte.
Daher seine Bitte:
„Halten Sie sich weiter an die Maßnahmen und Empfehlungen, bleiben Sie soweit es geht zu Hause, halten Sie sich an die Kontaktbeshränkungen, halten Sie weiter Abstand voneinander – mindestens 1,5 besser 2 Meter – , halten Sie sich an die Husten- und Niesregeln, und wenn Sie in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind oder in einem Geschäft sind, tragen Sie zusätzlich eine Mund-Nasen-Bedeckung, um andere zu schützen. Helfen Sie dabei, das Virus weiter in Schach zu halten!“
Er bedankte sich dabei ganz ausdrücklich bei allen Menschen in Deutschland, dass sie sich in den vergangenen Wochen so gut an diese Maßnahmen und Empfehlungen gehalten hätten.
(nh)