Fast 200.000 sogenannte Heimatvertriebene haben sich in der Oberpfalz nach dem zweiten Weltkrieg eine neue Heimat aufgebaut. Sie wurden aus Osteuropa vertrieben, und mussten hier vollkommen von vorne angangen. Obwohl sie einen großen Teil der Bevölkerung ausmachen, sind ihre Spuren heute nur noch schwer zu erkennen – außer an einem ganz besonderen Ort nahe Schönsee. Die „Bügellohe“ diente rund 60 Heimatvertriebenen als neues Zuhause – ohne Strom, Wasser oder Straßenanbindung.
Eine Handvoll Ruinen, tief im Herzen des Oberpfälzer Waldes, sind alles, was heute noch von der Bügellohe übrig ist – fast. Im Dezember 1950 wurden in der Bügellohe Zwillinge geboren – Maria Wanger und Josef Wachter. Sie gehören zur Bügellohe so wie die Häuser, die hier einst standen, und die Erde, auf der sie gebaut waren. Heute sind die beiden ein lebendiges Zeugnis der Geschichte dieses Ortes.
Im tiefsten Winter im Jahr 1950, kurz vor Neujahr, lag ihre Mutter in den Wehen. Ihr Cousin wurde losgeschickt, um den Arzt zu holen. In seiner Eile vergaß der kurzerhand seine Arzttasche – traf aber glücklicherweise unterwegs auf die Hebamme, die einige Spritzen im Gepäck hatte. So konnten sie Josef und Maria gesund zur Welt bringen. Die Zwillinge verließen die Bügellohe, als sie zwei Jahre alt waren. Danach waren sie aber immer wieder zu Besuch, wenn sie mit ihren Eltern hinreisten, um dort Holz zu holen. Für die beiden Kinder war die Bügellohe der beste Abenteuerspielplatz der Welt. Für ihre Eltern war sie etwas ganz anderes.
Eine bewegte Geschichte – und eine tragische
So wie die meisten Bewohner stammten ihre Eltern aus Wenzelsdorf – nur ein paar hundert Meter von der Bügellohe entfernt, auf der anderen Seite der Grenze zu Tschechien. Als sie 1946 aus ihrer Heimat vertrieben wurden, bauten sie ein neues, behelfsmäßiges Zuhause auf einer Anhöhe ganz in der Nähe – der Bügellohe. Zuerst dienten die Häuser wirklich nur als improvisierte Unterschlüpfe. Die Bewohner wollten hier ausharren, bis sie wieder in ihre ursprünglichen Häuser zurückkehren konnten. Dieser Tag kam nie. Die damals tschechoslowakische Regierung ließ Wenzelsdorf dem Erdboden gleich machen. Die Bewohner der Bügellohe konnten von der Anhöhe aus zusehen, wie ihre Jahrhundertealten Höfe zerstört wurden.
Die Bügelloher mussten also in ihrem neu gegründeten Dorf bleiben. Das Leben dort war hart – Wasser musste aus dem Brunnen geholt werden, Strom gab es nur in Form von schweren Bleibatterien, und der Weg zum nächsten Ort war beschwerlich. Für die Behörden war das kleine Dorf den Aufwand nicht wert, Straßen, Strom- und Wasserleitungen dorthin zu verlegen. Alle Anträge wurden abgelehnt. So entschieden sich viele der Bewohner langsam aber sicher dafür, die Bügellohe zu verlassen.
Das einst rund 60 Einwohner-starke Dörfchen wurde 1969 zum Geisterdorf. Während der letzten Jahre lebte dort nur noch ein einziger Einsiedler, der von den Grenzern mit dem Nötigsten versorgt wurde. Heute steht in der Bügellohe nur noch ein letztes Haus. Das „Fleischhackerhaus“ dient als kleines Museum weiter, und soll so die Geschichte der Bügellohe erhalten.
(sb)