Es ist das beherrschende Thema der vergangenen Monate: Die Energiekrise, die damit steigenden Preise und die vermehrten Sorgen der Bürger. Kann Windkraft die Lösung sein?
Die geopolitischen Entwicklungen der vergangenen Monate – allen voran der Krieg in der Ukraine – haben für alle spürbare Auswirkungen. Die Energieversorgung ist instabiler als gedacht. Die Folge: Nicht nur die Preise steigen. Auch die Abhängigkeit von anderen Ländern ist erneut deutlich geworden. Durch die Konflikte mit Russland ist vor allem die Gas- und Ölversorgung betroffen, Embargos und Zufuhrstopps verschärfen die Lage und machen die weiteren Entwicklungen unabsehbar. Das beeinflusst auch den Strompreis.
Grund dafür ist die sogenannte Merit-Order, mit welcher der Stromhandel und die Reihenfolge der Einspeisung in das Stromnetz geregelt wird. Innerhalb der Merit-Order findet ein Abgleich der Preise mit dem Kraftwerk statt, das die höchsten Kosten hat. Wer günstiger produziert, kann somit mehr Gewinne einfahren. In einer Zeit, in der Gas-Strom überdurchschnittlich teuer ist, beeinflusst somit die Situation rund um die Gaszufuhr den Strompreis massiv. Auch der erhöhte Stromverbrauch der Industrie und der Stromexport in andere Länder sorgen für Preisschwankungen.
Damit rücken einmal mehr die erneuerbaren Energien in den Vordergrund. Diese sind nicht nur als Beitrag für den Klimaschutz immer wichtiger, sie sollen im Sinne einer dezentralen Energieversorgung auch für Sicherheit und Preisstabilität sorgen. Das alles gelingt durch die Unabhängigkeit von ausländischen Zulieferern, wenn Strom zum Beispiel lokal in Windkraftanlagen erzeugt wird.
Dabei geht es natürlich nicht nur um den klassischen Strom aus der Steckdose, sondern auch um Strom, der zum Heizen verwendet wird und damit den Bedarf an zum Beispiel russischem Gas senkt. Bis 2024 sollen neu eingebaute Heizungen mindestens 65 Prozent ihrer Heizkraft aus erneuerbaren Energien beziehen.
Auch beim zukunftsweisenden Einsatz von Wasserstoff spielt die Art der Stromerzeugung eine große Rolle. Wasserstoff könnte langfristig unter anderem für synthetischen Kraftstoff sorgen. Nachhaltig ist das aber nur, wenn es sich um sogenannten grünen Wasserstoff handelt. Für die Elektrolyse, mit der Wasserstoff vom Sauerstoff getrennt wird, braucht es nämlich Strom. Kommt der dafür aufgewendete Strom nicht aus erneuerbaren Quellen, ist weder die Nachhaltigkeit noch die gewünschte Unabhängigkeit von fossilen Trägern umsetzbar. Der flächendeckende Einsatz von Wasserstoff ist zunächst noch Zukunftsmusik, erneuerbare Energien bleiben allerdings ein Schlüsselfaktor für die langfristige Weiterentwicklung dieser Technologie.
Der Ausbau der Windkraft
Bund und Länder setzen vor allem auf Windkraft, um all diese Ziele zu erreichen. Aus vielen Landschaften sind die riesigen Windräder schon gar nicht mehr wegzudenken, der Ausbau soll dennoch deutlich stärker vorangetrieben werden.
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Denn dass Nachholbedarf besteht, macht der Bund sogar selbst deutlich. Deshalb wurde im Jahr 2022 das „Wind-an-Land“-Gesetz formuliert, nach dem bis 2032 2 % der Landflächen für Windenergie zur Verfügung stehen sollen. Derzeit sind es nur ungefähr 0,8 %, wie der Bund-Länder-Bericht zeigt. Zu wenig, um das eigentliche Ziel zu erreichen. Die Verdoppelung des Stroms aus erneuerbaren Energien bis 2030.
Dieses Ziel steht nicht nur im Zusammenhang mit der Energiekrise, sondern soll grundsätzlich zum Klimaschutz beitragen. Ein Thema, das 65 % der Deutschen als sehr wichtig einschätzen und gerne politisch stärker in den Fokus rücken würden.
Windräder werden größer, der Aufwand wächst mit
Die Idee der Windkraftanlage ist bereits über 100 Jahre alt und doch muss man nicht ganz so weit in die Vergangenheit reisen, um Veränderungen an den Windkraftanlagen festzustellen. Denn diese sollen stetig mehr Strom erzeugen und werden deshalb immer größer. Der durchschnittliche Rotordurchmesser liegt heute bei 133 Metern, vor nicht einmal 20 Jahren waren es 90 Meter. Das und die durchschnittlich 206 Meter Gesamthöhe machen sich nicht nur im Landschaftsbild bemerkbar, auch die Planung verkompliziert sich. Windräder müssen ihre fünffache Höhe als Abstand zur nächsten Siedlung aufweisen. Die Frage, wo sich die richtige Fläche für solche Anlagen befindet, ist also trotz aller Dringlichkeit keineswegs leicht zu beantworten.
Auch der Transportaufwand steigt mit den größeren Ausmaßen der Anlagen. Bevor ein solches Windrad installiert werden kann, braucht es eine Menge logistische Planungsarbeit. Das Windrad wird in vielen Einzelteilen mittels Schwertransporten zum Standort gefahren. Selbst die haushohen Kräne, mit denen die Windräder aufgebaut werden, legen per LKW-Schwertransport zeitraubende Kilometer zurück. Damit die ausgewiesene Fläche vor Ort überhaupt erreichbar ist, werden im Vorfeld bereits Zufahrtswege geschaffen. Eine logistische Herausforderung, die oft mit Monaten Vorlaufzeit und viel Bürokratie verbunden ist. Logistik-Unternehmen und ihre Fachkräfte sind nicht selten auf solche Schwertransporte spezialisiert.
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Auf den ausgewiesenen Flächen an sich wird im Zweifel Wald gerodet, um Platz für ganze Anlagen zu schaffen und auch für die bereits erwähnten Zufahrtswege braucht es die nötige Infrastruktur.
Bürgerakzeptanz und Bürgerbeteiligung
Nicht nur der Eingriff in die bestehende Natur sorgt oftmals für Unmut bei den Bürgern, wenn in der Nähe des eigenen Wohnortes eine Windkraftanlage errichtet werden soll. Der Tierschutz spielt ebenfalls eine Rolle, da Vögel und Fledermäuse potenziell gefährdet sind durch die Rotorblätter. Für viele Anwohner ist es der freie und von Windrädern ungestörte Blick, den sie nicht aufgeben möchten. So gibt es zwar grundsätzlich eine große Zustimmung unter der Bevölkerung beim Thema Windräder, es kommt aber auch immer wieder zu lokalen Widerständen, wenn in der eigenen Ortschaft ein solches Projekt geplant ist.
Hier hat die aktuelle Energiekrise ebenfalls Einfluss auf die Menschen. Die Akzeptanz von Windkraftanlagen steigt, der Strom, der in unmittelbarer Nähe erzeugt wird, schafft Sicherheit in unsicheren Zeiten. Regionale Energie liegt deshalb durchaus im Trend. Das zeigen Umfragen: Laut Forsa sagen
Zudem werden nicht selten vergünstigte Konditionen für Anwohner angeboten, was angesichts der derzeitigen Preissteigerungen ein weiteres überzeugendes Argument für viele Bürger ist.
Ein immer beliebter werdendes Konzept stellt die Bürgerbeteiligung dar. Menschen, die in unmittelbarer Umgebung einer Windkraftanlage wohnen, können sich Anteile kaufen und so zum Beispiel von den Zinsen dieser Geldanlage profitieren. Das geschieht zum Beispiel aktuell in Winterhausen und Sommerhausen in Bayern, wo die Anwohner ein „Bürgerwindrad“ mitfinanzieren und das Vorhaben mit großem Interesse verfolgen.
Im Zuge dieser politischen Unabwägbarkeiten und versprochenen Vorteile fühlen sich die ansässigen Bürger stärker in ein solches Projekt involviert, die Akzeptanz steigt. Das wissen auch die Anbieter und Betreiber von Windkraftanlagen, die diese Entwicklungen begrüßen und auf einen weiteren Aufschwung innerhalb der Branche hoffen.
Windkraft nimmt zu, der Ausbau muss sich aber beschleunigen
Eine weniger abhängige Energieversorgung steht also nicht nur auf der Agenda der Bundesregierung, auch die Bürgerinnen und Bürger sehnen sich in der aktuellen Weltlage nach mehr Autarkie. Gerade deshalb muss der Ausbau beschleunigt werden. Bisher verhindern das die noch fehlenden ausgewiesenen Flächen, der bürokratische Aufwand, die logistische Herausforderung des Schwertransports sowie Lieferschwierigkeiten bei den Materialien.
Die Energiekrise hat dennoch ein Thema in den Fokus der breiten Bevölkerung gerückt, das bisher hauptsächlich unter dem Aspekt des Klimaschutzes Beachtung gefunden hat. Jetzt braucht es unter anderem die rechtlichen Rahmenbedingungen, die den Ausbau beschleunigen – so zum Beispiel gerade geschehen durch das Bundesverfassungsgericht, das ein mögliches Verbot von Windkraftanlagen in Wäldern gekippt hat. Damit steht aber auch die Politik verstärkt unter Druck, die alten und neuen Ziele in Sachen erneuerbare Energien einzuhalten.
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(exb)