Do, 05.09.2024 , 15:30 Uhr

Auerbach / Kirchenthumbach

Exklusive Bilder: Wolfsriss in Auerbach bestätigt

Der Wolf hat im Juli zweimal Schafe in der Oberpfalz gerissen. Die Vorfälle fachen die hitzigen Debatten um das Tier weiter an – braucht es leichtere Abschusserlaubnisse für das Beutetier?

Wer hat Angst vorm bösen Wolf? Es klingt wie eine Frage aus dem Märchenbuch – aber hier in der Oberpfalz würden tatsächlich einige Menschen mit „Ich“ antworten. Das größte zusammenhängende Wolfsgebiet Bayerns erstreckt sich hier bei uns über die Landkreise Neustadt an der Waldnaab und Amberg-Sulzbach. Zweimal wurden hier vor kurzem auch Schafe gerissen: bei Kirchenthumbach und Auerbach.

Aufnahmen einer Wildkamera zeigen den Wolf, der sich am 14. Juli über eine Schafherde in der Nähe von Auerbach hermacht. Am Abend erwartete Schafhalterin Kim Köhl ein erschreckender Anblick. „Ich war ganz normal auf meiner Kontrollrunde. Aber als ich in die PV-Anlage gekommen bin, habe ich schon das erste tote Schaf gesehen.“, erinnert sich die Schafhalterin aus Neumarkt. Etwa 100 Tiere hatte sie hier in der PV-Anlage eingezäunt. Der Wolf übersprang wohl den Elektrozaun, oder er drängte die Schafe aus dem umzäunten Bereich heraus. Das Resultat: 18 tote und 17 verletzte Tiere.

Kurz davor bereits ein Riss

Erst wenige Tage vor dem Vorfall bei Auerbach war es auch bei Kirchenthumbach zu einem Riss gekommen: Dort wurden 7 Schafe getötet. Nach solchen Angriffen kommt das Landesamt für Umwelt ins Spiel: Das LfU nahm Speichelproben an den gerissenen Tieren und ließ sie genetisch analysieren. Inzwischen ist klar, dass es in beiden Fällen Wolfrisse waren. Beim ersten Riss in Kirchenthumbach hat das LfU das Individuum auch identifiziert: GW3817m ist der Übeltäter. „Beim zweiten Riss warten wir noch auf Ergebnisse aus dem Labor. Möglicherweise kann das genaue Individuum aber auch nicht ermittelt werden, wenn die Qualität der Genprobe nicht gut genug ist“, erklärt Christian Tausch, Leiter der Abteilung Naturschutz im Bayerisches Artenschutzzentrum am LfU gegenüber OTV.

Bayerische Wolfspopulation wächst

In Bayern gibt es laut LfU momentan 10 Wolfsreviere mit insgesamt 45 bis 50 Tieren. Hinzu kommen noch einige „Durchzügler“, wie Tausch sagt. Das größte zusammenhängende Wolfsgebiet liegt in der Oberpfalz: Wölfe haben sich im Veldensteiner Forst, dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr, dem Manteler Forst und dem Pressather Wald angesiedelt. Es sind vier Rudel mit insgesamt rund 15 Wölfen – in Grafenwöhr und dem Veldensteiner Forst wurde im August auch Nachwuchs nachgewiesen. „Der Bestand wächst, aber nicht so schnell, wie wir bisher angekommen hatten“, so Tausch vom LfU.

Hitzige Stimmung in Kirchenthumbach

Einigen Oberpfälzern geht es trotzdem zu schnell. Das wurde bei einem Infoabend zum Thema Wolf in Kirchenthumbach deutlich. Einige Anwohner berichten von vermeintlichen Sichtungen in Orten oder gar auf Spielplätzen. Sie zweifeln die offiziellen Monitoring-Zahlen des LfU an. Ronja Schlosser, Wildtiermanagerin bei der Regierung der Oberpfalz, erklärt: „Das liegt wahrscheinlich daran, dass Nachrichten von einer vermeintlichen Wolfssichtung sehr schnell im Ort die Runde machen und sehr präsent bei den Leuten sind. Aber diese Sichtungen können nicht überprüft oder verifiziert werden. Wir nehmen im Monitoring nur die bestätigten Wolfshinweise auf.“

Bei den Fragen aus dem Publikum zeigt sich: Anwohner aus Kirchenthumbach und anderen Wolfsregionen sind verunsichert, haben zum Teil Angst vor dem Wolf. „Menschen trauen sich nicht mehr mit dem Kinderwagen raus. Wanderer und Radfahrer haben Angst“, erzählt ein Anwohner gegenüber OTV. Ein weiterer wirft die Frage in den Raum, was passieren würde, wenn einmal ein Mensch oder gar ein Kind zu Schaden kommen würde. Ronja Schlosser von der Regierung der Oberpfalz beruhigt: Wölfe seien in der Regel scheu und würden sich dem Menschen nicht annähern. Auch in Wolfgebieten müssten sich Menschen deshalb keine Sorgen machen.

Forscher zählten in einer norwegischen Studie zwar von 1950 bis 2002 in Europa 127 Wolfsangriffe auf den Menschen – der größte Teil davon war allerdings auf tollwütige Wölfe zurückzuführen. Und Tollwut ist in Deutschland seit 2008 ausgerottet.

Erster Wolf seit 142 Jahren abgeschossen

Der 27. August 2024 war ein historischer Tag: Das erste Mal seit 142 Jahren wurde ein Wolf in Bayern mit Genehmigung abgeschossen – und zwar in Unterfranken. Denn Problemwölfe, die wiederholt Nutztiere angreifen, dürfen nach dem Bundesnaturschutzgesetz geschossen werden.

Die bayerische Staatsregierung arbeitet aktuell auch an einer neuen Ausnahmeverordnung für Bayern. Die alte hatte das Verwaltungsgericht gekippt. Und auch gegen die neue Verordnung regt sich bereits Widerstand, wie Uwe Friedl, Artenschutzreferent beim Bund Naturschutz erläutert. „Diese neue Wolfsverordnung ist inhaltlich völlig deckungsgleich mit der alten, was wir für eine Frechheit halten. Das wird einer rechtlichen Prüfung wieder nicht standhalten können – die neue Wolfsverordnung wird wieder gekippt werden.“, ist er sich sicher.

Die geplante bayerische Wolfsverordnung ist aber kaum für die Oberpfalz von Bedeutung, sondern vor allem für den Alpenraum, weil in der gebirgigen Landschaft kein Herdenschutz möglich ist.

Knackpunkt Herdenschutz

In den Oberpfälzer Wolfsgebieten ist ein wolfssicherer Herdenschutz Pflicht, wenn Weidetierhalter nach Rissen Ausgleichszahlungen bekommen wollen. Schafhalterin Kim Köhl hatte ihre Schafe in Auerbach mit einem mobilen Elektrozaun geschützt. Wie ein wolfssicherer Herdenschutz aussehen muss, gibt das Landesamt für Umwelt genau vor. Köhl ist der Meinung, dass sie diese Vorschriften auch erfüllt hat. „Bei mir wurden Ausgleichszahlungen trotzdem abgelehnt. Die Mitarbeiter vom Landesamt meinten, dass mein Herdenschutz die Vorgaben nicht erfüllt hätte.“

Frust und Kritik

Der Frust bei vielen Weidetierhaltern ist groß. Die Behörde würde alles mit dem Zentimeterstab überprüfen, die Vorgaben seien nicht praktisch umsetzbar oder sehr aufwendig. Elektrolitzen dürfen zum Beispiel maximal 20 Zentimeter über dem Boden gespannt sein. Für die Schafhalter bedeutet das: Alle ein bis zwei Wochen das Gras unter dem Zaun mähen – und das entlang kilometerlanger Zäune.

Auch die Genanalysen des Landesamtes zweifeln die Schafhalter an. Köhl hatte eigene Proben ihrer gerissenen Schafe in einem Labor untersuchen lassen – mit ganz anderen Ergebnissen als das LfU. Zum Beispiel ergab die Analyse des LfU einen Wolf, das externe Labor fand aber Hinweise auf zwei beteiligte Wölfe. Die Behörde sei im Notfall schlecht erreichbar, kommuniziere zu wenig mit den betroffenen Tierhaltern und stelle die Bauern als fahrlässig hin. „Wir fühlen uns vom LfU im Stich gelassen“, erklärt Sebastian Queck von der Vereinigung Oberpfälzer Schafhalter. „Es müsste eine viel engere Kommunikation zwischen der Behörde und den Tierhaltern geben.“

Forderung Obergrenze

Die Forderungen der Weidetierhalter: Übergriffige Wölfe schneller als problematisch einstufen, Abschüsse schneller ermöglichen – und am besten eine Obergrenze für die maximale Zahl der Wölfe in Deutschland festlegen. Das sei aber nicht so einfach, erklärt Ronja Schlosser von der Regierung der Oberpfalz. Denn der sogenannte „günstige Erhaltungszustand“ der Wölfe lasse sich nicht allein an einer Zahl festmachen. Auch anderen Faktoren wie die Verfügbarkeit von Lebensraum oder von Futter für die Tiere müsste berücksichtigt werden, um den Erhaltungszustand zu bewerten.

Auch Uwe Friedel vom Bund Naturschutz sieht eine solche Forderung kritisch: „Der Wolf hat wie andere Spitzenprädatoren auch eine Funktion in unserem Ökosystem. Zum Beispiel holt er kranke Rehe aus dem Wald und trägt so zur Wildgesundheit bei.“ Und dazu komme: Der Wolf habe hier als heimisches Tier einfach ein Lebensrecht. Auch die EU gibt daher vor, den Wolf streng zu schützen. Sicher ist: Der Wolf wird trotz aller Konflikte auf jeden Fall noch viele Streifzüge durch die Oberpfälzer Wälder unternehmen.

(az)

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