Karpfen zur Rettung unserer Landwirtschaft. So seltsam es scheint – die bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, kurz LfL, versucht, genau das möglich zu machen. Bei einem Experiment in Raffach bei Schwarzenfeld dient ein Karpfenweiher gleichzeitig als Bewässerungsanlage für ein anliegendes Kartoffelfeld. So soll unsere Landwirtschaft künftig besser für die Auswirkungen des Klimawandels gewappnet sein.
Der Teich und das Kartoffelfeld gehören der Familie Stangl. Im vergangenen Jahr ist die LfL mit dem Experimentvorschlag auf die Familie zugegangen. Seitdem hat sich an ihrem Hof einiges getan – der Weiher wurde trockengelegt und vertieft. Eine Pumpe wurde installiert, die über Bewässerungsschläuche mit dem Kartoffelfeld verbunden ist. Dann wurde der Teich wieder befüllt, und mit genauso vielen Karpfen ausgestattet, wie zuvor. Die durch die Vertiefung erhöhte Wassermenge sorgt dafür, dass den Karpfen das Wasser nicht ausgeht, wenn es zur Bewässerung der Kartoffeln genutzt wird. Denn sobald ein Sensor erkennt, dass die Kartoffeln Wasser brauchen, wird es automatisch aus dem Teich herausgepumpt.
Von Israel inspiriert
Der Initiator des Experimentes ist Dr. Martin Oberle vom Institut für Fischerei des LfL. Er erzählt: ein Aufenthalt in Israel habe ihn auf die Idee gebracht. Auf den dortigen Feldern muss jede Pflanze bewässert werden, um der Trockenheit zu trotzen. In den dafür genutzten Wasserspeichern leben Fische, um diese sauber zu halten. Dieses Prinzip mit der Oberpfälzer Teichwirtschaft zu verbinden, könnte die Lösung für immer länger werdende Trockenheitsperioden im Sommer werden, dachte sich Dr. Oberle. So kam es zum ersten Experiment in Raffach.
Der Gedanke des LfL: Tausende Karpfenteiche in Bayern bilden ein riesiges, dezentrales Netzwerk aus Wasserspeichern. Werden diese ausgebaut, kann ihr Wasser zur Bewässerung von umliegenden Feldern genutzt werden, ohne den Karpfen zu schaden. Sie sind quasi kostengünstige, naturnahe Wasserreservoire, die sich während den niederschlagsreichen Wintermonaten wieder füllen. Gelingt das Experiment, könnte es wegweisend für die Zukunft der Landwirtschaft in Bayern werden.
Experiment trägt Früchte
Bisher sind die Ergebnisse vielversprechend. Die Kartoffeln der Familie Stangl werden gut bewässert. Experten aus der Landwirtschaft, der Fischerei und der Bewässerung arbeiten gut zusammen, und auch Behörden zeigen sich interessiert. Bei allem Erfolg gibt es aber auch Nachteile. Die größeren Wassermengen in den Karpfenteichen senken die Wassertemperatur. Dadurch verringert sich auch der Fischertrag. Aber Dr. Oberle hofft: Teichwirte könnten gleichzeitig zu Wasserwirten werden, und ihr Wasser an Landwirte ohne Teiche verkaufen.
Auch die bayerische Ministerin für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten, Michaela Kaniber, hat sich das Projekt jetzt angesehen und die Familie Stangl besucht. Sie ist hochbegeistert von den bisherigen Ergebnissen und sieht es auch als gutes Zeichen, dass die Landwirtsfamilie selbst vom Projekt überzeugt ist. Bevor die neue Methode wirklich großflächig umgesetzt werden kann, müssen noch viele behördliche und baurechtliche Fragen beantwortet werden. Aber tatsächlich könnte die Zukunft unserer Landwirtschaft vielleicht schon bald an den Karpfen in unseren Teichen hängen.
(sb)