„Im Gegensatz zu den ersten drei Corona-Wellen haben wir jetzt zwei Therapiemöglichkeiten, die wir ganz gezielt bei Patienten mit einer Corona-Infektion einsetzen können und die im klinischen Alltag auch nachgewiesen wirksam sind“, erklärt Dr. Hans Wahn, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin IV am Klinikum St. Marien Amberg. „Das zeigt sich auch bei Patienten in unserem Klinikum.“
Die Rede ist zum einen von der Antikörpertherapie und zum anderen von einer Therapie mittels eines Medikaments, das bereits aus der Rheuma-Therapie bekannt ist und dessen Einsatz bei einer Corona-Infektion vom RKI empfohlen wird.
„Der Laie muss sich das so vorstellen: Bei einer Antikörpertherapie bekommt der erkrankte Patient neutralisierende Antikörper, die sich in unserem Fall gegen das Spike-Protein des Corona-Virus richten. Das Spike-Protein ist das Oberflächenprotein des Virus, mit dem dieses an die Zellen unseres Körpers andockt und so in unsere Zellen gelangen kann“, erklärt Dr. Wahn. „Aktuell haben wir die Therapie bereits 16 COVID-19-Patienten verabreicht, die die Antikörper mittels einer einmaligen Infusion bekommen haben. Dabei stellen wir eine sehr gute Verträglichkeit fest.“ Das liegt besonders daran, dass es sich dabei um humane Antikörper handelt. Sprich die Antikörper sind zwar gentechnisch hergestellt, in ihrer Zusammensetzung aber mit den Antikörpern identisch, die der Mensch nach einer Infektion oder Impfung selbst bilden würde. Die Idee dahinter ist eine passive Immunisierung und nicht neu. „Ein klassisches Beispiel für eine solche Immunisierung ist Tetanus. Haben Sie eine verschmutzte Wunde, bei der die Gefahr besteht an Wundstarrkrampf zu erkranken und Ihr Impfschutz ist abgelaufen, dann bekommen Sie das sogenannte Tetanus-Immunglobulin (Tetagam P®). Ein Immunserum, in dem Antikörper enthalten sind, die das die Krankheit auslösende Toxin neutralisieren“, so Dr. Wahn.
Doch für wen ist die Antikörpertherapie geeignet? „Am wichtigsten ist es, die Antikörper so früh wie möglich zu geben, am besten schon vor Symptombeginn. Dieser sollten allerdings nicht länger als sieben Tage zurückliegen.“ Besonders Patienten mit leichten Symptomen oder bei denen eine Infektion noch asymptomatisch verläuft, profitieren von der Therapie. „Wir haben Patienten, die aufgrund einer anderen Erkrankung ins Krankenhaus eingeliefert werden und bei denen durch die Reihentestung eine Infektion mit dem Corona-Virus festgestellt wurde. Ob eine Antikörpertherapie dann zum Einsatz kommt, hängt zusätzlich vom Immunstatus der Patienten ab“, betont Dr. Wahn. Gerade bei älteren Patienten, sowie Patienten mit einer Vorerkrankung wie Rheuma oder Krebs ist das Immunsystem geschwächt. „Hier und bei Ungeimpften ist das Risiko, dass die Corona-Infektion einen schweren Verlauf nimmt, höher. Und um das zu vermeiden, setzen wir bei diesen Patienten gezielt die Antikörpertherapie ein. Bei geimpften Patienten bestimmen wir zuvor den Antikörperspiegel des besagten Spike-Proteins, auch das können wir inzwischen bei uns im Klinikum.“ Patienten die wegen COVID-19-Symptomen im Krankenhaus behandelt werden müssen, bekommen die Antikörper-Therapie unabhängig von ihrem Risikoprofil in Abhängigkeit von Symptombeginn und Antikörperstatus.
Zusammengefasst kann eine Antikörpertherapie dabei helfen, die Ausbreitung des Corona-Virus im Körper zu verhindern oder einzudämmen. „Trotz der noch überschaubaren Anzahl behandelter Patienten haben wir jetzt schon das Gefühl, dass die Therapie wirklich etwas bringt, wir die Patienten früher entlassen können und weniger schwere Verläufe haben.“ In entsprechenden Studien ist dies bereits belegt.
Doch es gibt auch Patienten, die für eine Antikörpertherapie nicht mehr infrage kommen. Sie sind schon zu krank oder die Symptome dauern schon zu lange an. Hier kommt die zweite neue Therapiemöglichkeit zum Einsatz – ein Medikament, das bereits aus der Rheuma-Therapie bekannt ist. „Dieses Medikament wirkt gegen den Entzündungsbotenstoff Interleukin-6. Unser Körper reagiert auf das Corona-Virus mit einer überschießenden Immunreaktion, die unter anderem durch dieses Zytokin vermittelt wird. Das Immunsystem gerät aus dem Gleichgewicht und die überschießende Reaktion wird zur eigentlichen Gefahr für den Patienten.“, so Dr. Wahn. „Wird Interleukin-6 blockiert, besteht die Möglichkeit die Entzündung zu reduzieren und dem Immunsystem damit zu helfen, die Infektion ohne Kollateralschäden zu bekämpfen.“
Geeignet ist die Therapie für Patienten, die schon relativ schwer erkrankt sind und bei denen das Risiko einer Verlegung auf die Intensivstation oder sogar einer Beatmung besteht. „Bei uns haben aktuell bereits 8 Patienten diese Therapie bekommen. Natürlich muss man realistisch sein, das sind kleine Zahlen. Wir stehen hier noch am Anfang. Dennoch sehen wir Erfolge.“ Kleine Erfolge, die das Impfen keinesfalls ersetzen können, für die betroffenen Patienten aber durchaus eine große Bedeutung haben.
(Bild: Dr. Nadine Hofmann von der Klinik für Innere Medizin I bereitet die Infusion für die Antikörper-Therapie vor // Bildquelle: Klinikum/Wahn)
(vl)