Miteinander sprechen, diskutieren, ja vielleicht sogar streiten. Das ist der Wesenskern einer Demokratie. Die Idee, Menschen mit Sorgen und Nöten auf der einen Seite und Politiker auf der anderen Seite zusammenzubringen, kann also nicht so falsch sein. Und doch kennt dieser Abend im ACC nur Verlierer.
Da sind auf der einen Seite die Parteien, die der Diskussion aus dem Weg gegangen sind – die SPD, die Grünen, die Linken, die FDP, die ÖDP. Drei davon sind in der Regierungsverantwortung – und damit auch in der Verantwortung, sich ihren Kritikern zu stellen. Egal, welcher politischen Gesinnung.
Dann ist da Dr. Harald Schwartz von der CSU. Er hat sich als politischer Profi gezeigt, Humor bewahrt, Fakten präsentiert, inhaltlich argumentiert. Über den einen oder anderen Inhalt lässt sich gewiss streiten. Zum Beispiel, warum er plötzlich ohne Not den Mindestlohn an sich in Frage stellt – und das vor Menschen, die den ganzen Tag schuften, das Land am Laufen halten und ohnehin nicht viel verdienen. Aber Schwartz hat sich der Diskussion gestellt.
Nur: Punkten konnte er beim Publikum kaum. Denn das setzte sich in großen Teilen aus Menschen zusammen, die sich zu Fake News, Verschwörungstheorien, Systemkritiken verleiten lassen. Fakten und Tatsachen zählen da nur wenig. Das Vertrauen in die Politik ist erschüttert, die Argumente von Schwartz verpufften in Gegröle und gehässigem Gelächter.
Und damit sind wir bei den dritten großen Verlierern des Abends: die Veranstalter. Ich nehme es ihnen ab, dass sie mit der Einladung von AfD und DieBasis nur guten Willen zeigen wollten. Aber damit war klar, welche Klientel angezogen wird und wie wenig konstruktiv die Diskussion verlaufen würde. Und da ist nicht nur die AfD das Problem: DieBasis veranstaltet Vorträge über Verschwörungstheorien, in denen einfach alle möglichen abstrusen Geschichten erzählt und beklatscht werden – dass Menschen nie am Mond waren, 9/11 von der USA gesteuert und der Klimawandel nicht vom Menschen verursacht wird. Geglaubt wird alles, bloß nicht das, was der offiziellen Version entspricht. Was bringt eine solche Nischenpartei in einer solch wichtigen Diskussion?
Miteinander sprechen, diskutieren, ja vielleicht sogar streiten, ist der Wesenskern der Demokratie. Aber dazu gehören Regeln. Nicht alles zu glauben, was auf Telegram-Kanälen und sozialen Netzwerken verbreitet wird. Politikern nicht persé zu unterstellen, keine Ahnung zu haben. Nicht zu behaupten, dass die 150 Menschen im ACC den Willen der gesamten oder dem Großteil der Bevölkerung vertreten. Nein, es ist der Willen der 150 Menschen, die anwesend waren. Andere denken anders. Schon untereinander herrscht keine Einigkeit. Viele wollen die direkte Demokratie und mehr Volksabstimmung. Die Landwirte auf der Bühne zuckten zusammen – bis heute empfinden sie das erfolgreichste Volksbegehren aller Zeiten „Rettet die Bienen“ als große Farce.
Menschen müssen wieder akzeptieren, dass Politik nicht immer einfache, populistische Lösungen auf komplexe Fragestellungen präsentieren kann. Sie müssen wieder Vertrauen fassen in Politik und Medien. Das ist die Aufgabe von Politik und Medien, aber auch von jedem selbst. Telegram-Kanäle genauso kritisch beäugen wie Politiker und öffentlich-rechtliche ist ein Ansatz. Von einer Diskussion wie gestern mit vorgefertigten Meinungen hat nämlich keiner was.
(mz)