Das ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München hatte im Auftrag des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung untersucht, unter welchen Umständen sich die Ansiedlung von Behörden in strukturschwachen Räumen erfolgreich umsetzen lässt.
Die Schlagzeile, die daraus folgte, lautete „Beispiel Tirschenreuth: Ifo-Institut bei Ämterverlagerung ‚aufs Land‘ skeptisch.“
„Die Schlagzeile ist absolut irreführend, denn sehr wohl sind die Verlagerungen von Landesbehörden in die nördliche Oberpfalz und auch die des Amtes für Ländliche Entwicklung nach Tirschenreuth eine Erfolgsgeschichte“, widersprechen Mandatsträger aus der nördlichen Oberpfalz vehement.
Amt für Ländliche Entwicklung in Tirschenreuth ein großer Gewinn
„Für Tirschenreuth und die gesamte Region ist das ALE ein Baustein im Mosaik einer atemberaubenden Aufwärtsentwicklung“, urteilt Tirschenreuths Bürgermeister Franz Stahl über die knapp 150 Mitarbeiter starke Behörde in der Kreisstadt.
Die Studie verneint auch nicht, dass es zu einer Stärkung der Kaufkraft und positiven Nachfrageeffekten für den örtlichen Handel und Dienstleistungsbetriebe kam, was Bürgermeister Stahl bestätigen kann.
Tatsächlich ist das ALE in Tirschenreuth eine starke Nachwuchskräfteschmiede für die Region. Bereits 33 junge Menschen haben ihre Ausbildung in Tirschenreuth abgeschlossen, weitere 21 Auszubildende hat das Amt aktuell. Davon neun duale Studenten für die Qualifizierungsebene drei, sowie weitere Anwärter und Dienstanfänger. Auch die Herkunft der Mitarbeiter lässt aufhorchen und will so gar nicht mit dem gezeichneten Bild der Studie zusammenpassen. 113 der 148 Mitarbeiter wohnen in den Landkreisen Tirschenreuth, Neustadt a.d. Waldnaab, Wunsiedel oder der Stadt Weiden. Lediglich 19 Mitarbeiter kommen noch aus der Stadt oder dem Landkreis Regensburg. Die restlichen Bediensteten kommen aus der Oberpfalz, wie den Landkreisen Schwandorf, Cham oder Amberg-Sulzbach.
Ein genauer Blick auf die hinteren Seiten der Studie lohnt sich auch was die Zukunftsperspektiven angeht. Dort wird ausdrücklich eine hervorragende Ausbildungsmöglichkeit am ALE, auch in Zusammenarbeit mit der OTH Amberg-Weiden, bescheinigt. Auch hier war die Politik an entscheidender Stelle beteiligt.
„Mir war es wichtig, dass wir zusätzlich zur Behördenverlagerung in die nördliche Oberpfalz auch einen passenden Studiengang an die Hochschule in Weiden bringen“, so Landtagsabgeordneter Tobias Reiß, der den damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer davon überzeugte, an der OTH den Studiengang „Geoinformatik und Landmanagement“ einzurichten. Die ersten Absolventen arbeiten bereits in der Region, viele haben die Gelegenheit zum dualen Studium genutzt.
Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung in Waldsassen und Windischeschenbach
Das Amt für Ländliche Entwicklung bildete dabei aber nur den Auftakt. Mittlerweile hat das Finanz- und Heimatministerium nachgezogen und an den Standorten Windischeschenbach und Waldsassen mit dem Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung ein Kompetenzzentrum für amtliche Kartographie für den gesamten Freistaat geschaffen. An den beiden Standorten arbeiten bereits 88 Mitarbeiter (39 in Windischeschenbach, 49 in Waldsassen). 130 Mitarbeiter werden es am Ende insgesamt sein. 24 Nachwuchskräfte haben an den beiden Standorten ihre Ausbildung schon abgeschlossen, weitere 19 Auszubildende hat das Amt derzeit. Von den dortigen Mitarbeitern stammen lediglich 18 nicht aus der Region und sind Wochenpendler. Für den Aufbau eines solchen Behördenstandortes sind erfahrene Mitarbeiter aus anderen Standorten schlicht unerlässlich.
„Die vielen jungen und vor allem gut ausgebildeten Köpfe am Standort in Waldsassen sind eine Bereicherung“, sieht auch Waldsassens Bürgermeister Bernd Sommer einen eindeutig positiven Effekt. Hinzu komme, dass mit dem Neubau des Landesamtes nicht nur ein Leerstand beseitigt wurde, sondern ein hochmodernes Gebäude in unmittelbarer Innenstadtnähe durch den Freistaat gebaut werde. „So geht erfolgreiche Strukturpolitik“, resümiert Sommer.
In Windischeschenbach sieht Bürgermeister Karlheinz Budnik das ganz ähnlich. „Neben den vielen jungen Menschen, die hier beste Berufschancen in der Heimat bekommen, wurde durch die Revitalisierung der Stützlvilla auch ein historisch wichtiges Areal in der Stadt aufgewertet“, lobt das Stadtoberhaupt die Entscheidung des Freistaates für die dortigen Investitionen in Höhe von über 16 Millionen Euro.
Lob der Landräte für Ministerpräsident Markus Söder und Finanzminister Albert Füracker – Landesbehörden nicht nur in Ballungszentren – Heimatstrategie geht auf
Die Landräte Roland Grillmeier und Andreas Meier sehen nicht nur die bisherigen Verlagerungen als Erfolgsmodell, sondern fordern, diese Strategie weiter konsequent fortzusetzen. „Gleichwertige Lebensverhältnisse darf es nicht nur auf dem Papier geben“, so die beiden Landkreisoberhäupter. „Der Kurs der Staatsregierung ist hier völlig richtig, die Heimatstrategie des Ministerpräsidenten geht auf“, bestärken sie die Landespolitiker. Entscheider und Behörden dürften nicht nur in München sitzen. Auch das Land biete mittlerweile alle Möglichkeiten, das habe nicht zuletzt die Corona-Pandemie gezeigt.
Ausdrücklich loben sie auch Finanz- und Heimatminister Albert Füracker, der erst vor wenigen Monaten die zweite Stufe der Behördenverlagerungen gezündet hat. Zu den vormals schon beschlossenen sollen bayernweit weitere 2.520 Arbeitsplätze und 930 Studienplätze kommen. Insgesamt verlagert der Freistaat mehr als 5.100 Arbeitsplätze und 1.100 Studienplätze in die ländlichen Regionen oder schafft sie im Zuge der Behördenverlagerung neu.
760 Behördenarbeitsplätze in die Region verlagert – mehr Heimatnähe gibt’s nirgends
Mit dem Konzept von 2015 wandern bereits 460 qualifizierte Arbeitsplätze in die Region zwischen Wunsiedel und Weiden. „Ein riesiger Erfolg ist auch die Verlagerung 300 weiterer Arbeitsplätze nach Weiden“, unterstreicht Landtagsabgeordneter Dr. Stephan Oetzinger. In der zweiten Stufe des Konzepts wird ein Teil des Landesamtes für Finanzen von München nach Weiden verlagert. „Das stärkt nicht nur die Stadt Weiden, sondern die gesamte Region“, betont Oetzinger. „Für insgesamt 760 Menschen werden damit beste Berufsperspektiven in der Heimat geschaffen“, zeigen sich die beiden Abgeordneten Oetzinger und Reiß vom bayerischen Weg der Behördenverlagerung überzeugt. „Mehr Heimatnähe gibt’s nirgends!“, bringen es die beiden auf den Punkt.
Bayern als Vorbild für Europa
Dass die Dezentralisierung von Behörden der absolut richtige Weg ist, davon ist auch Christian Doleschal überzeugt. Der Abgeordnete ist der regionalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Gruppe im Europarlament und hat andere Beispiele auf den Kontinent vor Augen. „In kaum einer anderen Region bekommen junge Menschen so viele Chancen auch auf dem Land Karriere zu machen, wie in Bayern“, unterstreicht der 34-Jährige. Deswegen müsse man hier konsequent weiterarbeiten. Er sieht die Verlagerungen nach Tirschenreuth, Waldsassen, Kemnath, Vohenstrauß, Windischeschenbach, Marktredwitz, Wunsiedel und Weiden als absolute Positivbeispiele.