Bis zu 2000 Menschen mussten täglich im Steinbruch Wurmstein in Flossenbürg schuften: Zu Zeiten des NS-Regimes zwang die SS dort tausende Häftlinge zu harter Arbeit unter brutalen Bedingungen. Für die Erinnerungsarbeit hat der Steinbruch deswegen eine zentrale Bedeutung – nun, mehr als 80 Jahre später, soll der Steinbruch endlich Teil der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg werden. „Die Bedeutung dessen kann gar nicht überschätzt werden. Das ist ein immenser Schritt.“, so Prof. Dr. Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. „So etwas gibt es europaweit am Standort eines ehemaligen KZ-Lagers nicht.“
Internationale Reaktionen von Häftlings-Nachkommen
Der Steinbruch ist bis vergangenen März noch wirtschaftlich genutzt worden. Nun soll das Gelände mit drei Pachtverträgen an die Stiftung Bayerischer Gedenkstätten übertragen werden. Der erste davon wurde im Dezember unterzeichnet, die zwei weiteren sollen dieses Jahr folgen. „Nachdem der erste Pachtvertrag unterschrieben wurde, haben wir eine Reaktion aus Frankreich bekommen. Von dem Nachkomme eines Häftlings. Es käme zwar 80 Jahre zu spät, aber es sei immer der Wunsch des Vaters gewesen, dass der Steinbruch Teil der Gedenkstätte wird.“, erzählt Skribeleit. Die Aufnahme des Steinbruchs finde internationale Beachtung.
Erste Sanierungspläne
Langfristig soll der Steinbruch nicht nur gepachtet werden, sondern ins Eigentum der Stiftung übergehen. Zu dem 20 Hektar großen Areal gehören auch sechs Gebäude. Das bedeutendste davon ist das ehemalige Verwaltungsgebäude der Deutschen Erd- und Steinwerke. Hier sollen die Sanierungsarbeiten als erstes beginnen, Ende Januar ist bereits ein Treffen mit Architekten geplant. Das historische Erscheinungsbild soll aber erhalten bleiben – das Gebäude solle nicht „kaputt saniert“ werden.
„Wir werden darin ein Memory-Lab einrichten, in dem wir laufend neu definieren, wie Erinnerungsarbeit aussehen kann und muss“, so Skribeleit zu den Plänen. In dem Gebäude soll dann Raum sein für Ausstellungen, Filmvorführungen, Forschung und Begegnungen. Im März, schon vor den Sanierungsarbeiten wird hier bereits eine Ausstellung mit dem Titel „In uns der Ort“ eröffnen.
Als nächster Schritt, ebenfalls in diesem Jahr, soll die Häftlingstreppe freigelegt werden – eine Steintreppe, die die SS als Ort der Schikane und der Folter nutzte und Häftlinge – auch bei Eisglätte – grundlos die Stufen hinauf und hinab jagte.
80 Jahre nach Befreiung – Steinbruch besonders im Fokus
Am 23. April 1945 schließlich befreiten die Alliierten die Gefangenen. Heuer jährt sich die Befreiung also zum 80. Mal. In diesem besonderen Jahr soll der Steinbruch speziell im Fokus stehen: „Wir werden dort Veranstaltungen organisieren und viele Menschen hineinbringen. Weil wir auch ganz oft nach dem Steinbruch gefragt werden, wie es damit weitergeht.“, erzählt Skribeleit. „Deswegen wollen wir ihn im Rahmen des 80. Jahrestages öffnen.“
Bis das ganze Areal des Steinbruchs saniert und zugänglich gemacht ist, wird es noch Jahre dauern. Zum Beispiel erwägen die Mitarbeiter der Gedenkstätte auch, in einem der historischen Gebäude Übernachtungsmöglichkeiten zu schaffen. Ideen gibt es viele – die Erinnerungsarbeit wird hier auch 80 Jahre nach der Befreiung intensiv fortgesetzt.
(az)