Wer heute Nachmittag in die Apotheke wollte, der fand oft verschlossene Türen vor. Aus Protest gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung haben tausende Apotheken in Deutschland zwischen 13 und 16 Uhr zugesperrt. Zu dieser Zeit wurde Gesundheitsminister Karl Lauterbach beim Deutschen Apothekertag in Düsseldorf zu einer virtuellen Diskussion erwartet. Ein Fragenkatalog ist ihm im Vorfeld zugegangen – denn die Probleme sind seit langem klar: Zu geringes Einkommen, zu viel Bürokratie, Nachwuchs- und Personalmangel, Lieferengpässe. „Lauterbach schuldet uns Antworten“, so das Protestmotto heute.
Doch bereits gestern Prof. Dr. Karl Lauterbach in den Medien seine Pläne vorgestellt. Dazu kam anlässlich der Eröffnung des Deutschen Apothekrtags (27. bis 29. September) von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) heute folgende Pressemitteilung:
„Schon vor dem Start des Apothekertages hat der Minister in einem Medienbericht seine Pläne für eine Umstrukturierung des Apothekensystems bekanntgegeben. Unter anderem soll das sogenannte „Mehrbesitzverbot“ gekippt werden und wichtige Apothekendienstleistungen wie etwa die Arzneimittelherstellung (Rezepturen) oder Not- und Nachtdienste nicht mehr von allen Apotheken angeboten werden müssen.
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening kommentiert die Pläne wie folgt: „Es ist ein Affront, dass der Minister seine zerstörerischen Pläne noch vor seiner Videobotschaft auf dem morgigen Apothekertag über die Medien verkündet. Aber auch inhaltlich interpretieren wir diese Ideen als Kampfansage des Ministers gegenüber der gesamten Apothekerschaft. Mit der Honorarkürzung Anfang des Jahres hat die Bundesregierung uns wirtschaftlich bereits extrem unter Druck gesetzt. Kommt Lauterbach mit diesen Plänen im Parlament durch, würde er den Apotheken komplett den Boden unter den Füßen wegziehen.“
Overwiening erinnert an den Koalitionsvertrag, in dem die Ampel-Koalition eigentlich eine Stärkung der Apotheken versprochen hatte: „Mit den jetzt bekannt gewordenen Plänen wird genau das Gegenteil erreicht: Die Beratung durch approbierte Apothekerinnen und Apotheker wird zusammengestrichen, die Versorgung mit Rezepturen, wie beispielsweise Salben und Fiebersäften für Kinder, wird in vielen Apotheken gänzlich gestrichen – und für Notdienste müssten die Patientinnen und Patienten sehr lange Strecken fahren, bis sie versorgt werden können. Die Annahme des Ministers, dass es mit seinen Plänen mehr Filialgründungen geben könnte, ist ebenfalls an den Haaren herbeigezogen. Denn: Bei den letzten Auswertungen der Apothekenzahlen haben wir gesehen, dass viele Filialen wieder schließen mussten.“
Die ABDA-Präsidentin erinnert den Minister an sein mehrfach wiederholtes Versprechen, dass es unter ihm keine Leistungskürzungen geben werde: „Der Minister muss einfach verstehen: Das gesamte System benötigt mehr Geld! Eine Versorgung in der Fläche und damit auch im ländlichen Raum wird durch diese unausgegorenen Pläne zusätzlich geschwächt. Die wiederholte Aussage des Ministers, dass es für die Patientinnen und Patienten keine Leistungskürzungen geben soll, wird sich angesichts einer alternden Gesellschaft als Mogelpackung erweisen.“
Laut Overwiening ist die Kommunikation mit dem Bundesgesundheitsministerium nun auf einem erneuten Tiefpunkt angekommen: „Noch zuletzt haben wir im Ministerium sehr konstruktiv über die Versorgung mit Kinderarzneimitteln beraten und gute Lösungen gefunden. Im nächsten Atemzug stiehlt er der Bevölkerung die qualitativ hochwertige Beratung durch Apothekerinnen und Apotheker und trivialisiert das hochberatungsbedürftige Gut Arzneimittel. Es ist beängstigend, dass der Minister nun jegliche Diskussionsebene und Konstruktivität verlassen hat und die vollversorgenden Apotheken abschaffen will. Die Apotheken sichern in der derzeitigen Lieferengpasskrise den sozialen Frieden. Gerade einem SPD-Minister sollte es wichtig sein, dass alle Menschen in Deutschland einen gleichwertigen Zugang zu einer guten Gesundheitsversorgung haben. Wir hoffen, dass das Parlament die grenzenlose Verantwortungslosigkeit des Ministers zu bremsen weiß.“
Soweit die Pressemitteilung. Der Auftritt des per Webcam zugeschalteten Ministers Lauterbachs selbst wurde zum Schlagabtausch der ABDA und dem Minister, der seine Vorschläge als Fortschritt präsentierte. Auf den Fragenkatalog ging er nicht konkret ein. So wurden seine Ausführungen oft lautstark von Pfiffen und Protesten begleitet und eine Blitzumfrage unter Apothekern im Land ergab die Schulnote 6. „Weniger Emotionen“ wünschte sich der Minister deshalb beim Apothekertag.
Doch die ABDA-Präsidentin kündigte weitere Proteste an – und erntete in der Blitzumfrage fast 100 Prozent Unterstützung.
(gb)