Am 25. November jeden Jahres findet der Gedenktag „Nein zu Gewalt an Frauen“ statt. Da dieses Jahr keine öffentliche Aktion stattfinden kann, die Problematik „Gewalt gegen Frauen und Mädchen“ in der Pandemiekrise sich allerdings eher verschärft hat, haben die Kooperationspartner einzelne Aspekte zum Gedenktag beleuchtet.
Der Gedenktag „Nein zu Gewalt an Frauen“ wurde bereits im Jahr 1990 von der UNO offiziell anerkannt und weltweit geht es den Veranstaltern darum, die Einhaltung der Menschenrechte gegenüber Frauen und Mädchen zu thematisieren. Dieser soll das Ausmaß und die Formen der Gewalt gegen Frauen aufzeigen. „Es geht darum, zu zeigen, wie vielfältig die Dimensionen und Formen der Gewalt sind und wie viele Gesichter die Gewalt an Frauen hat“, so die Gleichstellungsbeauftragte Helga Forster. Sie reichen von Sexismus in Medien und Werbung, der häuslichen Gewalt und sexuellem Missbrauch, Weiblicher Genitalverstümmelung und Zwangsverheiratung hin zu Frauenhandel und Zwangsprostitution. „Gewalt gegen Frauen ist leider immer noch Alltag – überall und jeden Tag“, betont Forster.
Fünf Organisationen und Einrichtungen aus dem Veranstalterkreis haben jeweils kurze Statements zur Gewalt gegen Frauen und Mädchen und den Bezug zu ihrer Arbeit abgegeben. Sie zeigen eindrucksvoll die Bandbreite dieses Themas:
Auswirkungen der häuslichen Gewalt auf Kinder
Franz Klarner, Leiter der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern, geht auf die Auswirkungen der häuslichen Gewalt auf Kinder ein. Die negativen Folgen von häuslicher Gewalt auf die Entwicklung von Kindern, unabhängig von deren Alter, sind massiv und vielfältig. Untersuchungen haben gezeigt, dass in 80 bis 90 Prozent der Fälle, in denen es zu Gewalt zwischen den Eltern gekommen ist, Kinder anwesend waren oder sich zumindest in einem Nebenraum befanden und damit das Geschehen direkt oder indirekt miterlebt haben. „Solche Erlebnisse brennen sich tief in die Seele eines Kindes“, so Franz Klarner. Elterliche Gewalt löst bei Kindern existenzielle Ängste aus und ist mit großer Scham verbunden, sodass Kinder häufig viel daransetzen, diese Geschehnisse geheim zu halten, sich verantwortlich fühlen und sogar versuchen die Mutter und/oder den Vater zu beschützen.
Sexueller Missbrauch
Sexueller Missbrauch findet statt, jeden Tag und überall. Eine traurige Wahrheit, die auf dem Flyer des Arbeitskreises gegen sexuellen Missbrauch des Landkreises Schwandorf zu lesen ist. Sexuelle Gewalt findet in allen sozialen Schichten und in jeder Region statt, in Bereichen, in denen eigentlich Vertrauen, Schutz und Geborgenheit gegeben sein sollten, in der Familie und im engen Umfeld von Kindern und Jugendlichen, mit vertrauten und oft auch geliebten Menschen von Kindern. Sexuelle Gewalt findet im Verborgenen statt, nicht immer sind körperliche Hinweise gegeben, meist ist es eine unsichtbare Verletzung der Seele, der Persönlichkeit und der Selbstachtung.
Carola Glötzl von der Koki (Koordinationsstelle frühe Kindheit) und Mitglied des Arbeitskreises betont, dass Kinder niemals die Verantwortung für einen sexuellen Übergriff tragen. Der Arbeitskreis, ein Zusammenschluss aus vielen Einrichtungen und Beratungsstellen, der sich seit vielen Jahren mit dem Thema auseinandersetzt, versucht durch Prävention, Intervention, Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit für das Thema zu sensibilisieren und Opfern, Angehörigen und Mitwissern Anlaufstellen zu bieten, um einen Missbrauch vorzubeugen, zu verhindern oder zu beenden sowie die Betroffenen bei der Bewältigung zu begleiten. Der Arbeitskreis hat extra für den Gedenktag einen Videoclip gedreht, der auf der Homepage des Landkreises zu sehen ist.
Internationale Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Franziska Meyer von Amnesty International setzt in ihrem Beitrag den Blick auf die Internationale Gewalt gegen Frauen und Mädchen. International gesehen ist Gewalt gegen Frauen in vielen Ländern erschreckend alltäglich. Am gefährlichsten ist es in Indien mit Abtreibungen, Tötungen des weiblichen Säuglings, Vergewaltigungen, Misshandlungen in der Familie des Ehemanns bis hin zur Ermordung, den sogenannten Mitgiftmord. Auch Witwen droht noch das Verstoßen. Weltweit dient sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe, ferner gibt es in vielen Ländern unter anderem Zwangsprostitution und Genitalverstümmelung. Amnesty International erfährt häufig von sexualisierter Gewalt in Haft. In ganz Lateinamerika ist die Lage ebenfalls dramatisch. Im Jahr 2019 wurden in Mexiko 3.800 Frauen oft auf grausame Art ermordet; dies gilt als Privatsache „Tötung aus Liebe“ und wird nur selten bestraft. Hier regt sich Widerstand. Am Weltfrauentag 2020 haben Millionen Frauen in Mexiko mit einem Generalstreik protestiert.
Pilotprojekt „Priorisierung von Fällen Häuslicher Gewalt und Nachstellungen“
Die Bayerische Polizei versteht unter Häuslicher Gewalt alle Fälle von physischer und psychischer Gewalt zwischen Ehe- und Lebenspartnern, auch Ex- Ehe- oder Lebenspartnern, wenn die Straftat noch im Bezug zur Beziehung steht. Dies erklärt Alexandra Friedrich, die Beauftragte der Polizei für Kriminalitätsopfer beim Polizeipräsidium Oberpfalz. Darunter fallen insbesondere Nötigungs-, Bedrohungs- und Körperverletzungsdelikte, aber auch Sexualdelikte und sogar Tötungsdelikte. Die Statistik sagt dazu folgendes für den Landkreis Schwandorf: 2017- 161 Delikte, 2018 – 197 Delikte und 2019- 223 Delikte.
„Während der Ausgangsbeschränkungen im Frühjahr waren die bei der Polizei bekannt gewordenen Fälle Häuslicher Gewalt rückläufig. Das Anzeigeverhalten im Anschluss ließ die Zahlen dann jedoch wieder auf Vorjahresniveau ansteigen“, betont Friedrich. Um eine frühzeitige Intervention und ein Durchbrechen der Gewaltspirale zu erreichen, starteten Polizei und Staatsanwaltschaften in der Oberpfalz im Juli 2020 das Pilotprojekt „Priorisierung von Fällen Häuslicher Gewalt und Nachstellungen“. Risikofälle werden seitdem in enger Abstimmung zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft beschleunigt bearbeitet.
Lockdown sei eine große Herausforderung
Kerstin Weinrich vom Frauenhaus im Landkreis Schwandorf berichtet, dass die Pandemie, der erste Lockdown und die jetzigen Kontaktbeschränkungen für viele Familien eine große Herausforderung seien. „In Familien, in den Frauen und Kinder Gewalt erfahren, wird dies zur Extremsituation“, so Weinrich. Aus der ersten großen Studie zu Gewalt-Erfahrungen von Frauen und Kindern während der Corona-Pandemie ist bekannt, dass die Gewalt in den Familien angestiegen ist. Nur ein kleiner Teil der von Gewalt betroffenen Frauen nutzte die Hilfsangebote. Das Frauenhaus im Landkreis Schwandorf ist auch in Pandemiezeiten rund um die Uhr erreichbar. Es berät am Telefon unter 09471 7131 und demnächst auch wieder persönlich. Im Moment ist das Frauenhaus dabei, eine Online-Beratung aufzubauen, so dass es noch unproblematischer wird, es zu erreichen.
(vl)