Di, 18.06.2024 , 15:08 Uhr

Mantel

„Sterben muss man sich leisten können“ - Finanzielle Unterstützung in Sterbefällen

Eine Bestattung kann schnell mehrere tausend Euro kosten – Sterben ist teuer. Um Hinterbliebene mit diesen Kosten nicht alleine zu lassen, gibt es in Mantel einen in dieser Form einzigartigen Verein: Die Selbsthilfe Mantel.

Rita Bayer aus Mantel hat vor drei Jahren ihren Mann verloren. Rudolf Bayer erlag im Alter von 84 Jahren einem Krebsleiden. Eine schwere Zeit für die heute 80-jährige Witwe. Doch sie musste damals nicht nur ihre Trauer bewältigen – sondern auch die hohen Kosten der Beerdigung. „Der Bestatter, die Friedhofskosten, die Grabstele, der Blumenschmuck, die Todesanzeige… da kommt schon eine ordentliche Summe zusammen“, erinnert sie sich. Durchschnittlich kostet einen Beerdigung in Deutschland zwischen 6000 und 8000 Euro, so die Stiftung Warentest 2021.

Unterstützung durch den Verein

Doch Rita Bayer war damals nicht alleine. Denn sie – und vor seinem Tod auch ihr Mann – waren Mitglied im Verein „Selbsthilfe Mantel“. Ein Verein, der in dieser Form einzigartig ist. Direkt, nachdem ihr Mann starb, erhielt Frau Bayer vom Verein 1525 Euro. Das Konzept der Selbsthilfe Mantel ist einfach: „Wenn jemand von den Mitgliedern stirbt, zahlt jeder 1,50 Euro. Unsere Unterkassiererin fährt dann von Tür zu Tür und sammelt das Geld ein. Und wenn es einen Todesfall gibt, bekommen die Hinterbliebenen am nächsten oder übernächsten Tag ganz unbürokratisch das Sterbegeld.“, erklärt Richard Kammerer, 1. Vereinsvorsitzender und Bürgermeister des Marktes.

Einer der mitgliederstärksten Vereine Mantels

Fast 1250 Mitglieder hat der Verein aktuell – das ist fast jeder zweite Einwohner des Marktes. Mitglied werden kann jeder, der aus Mantel kommt und beim Vereinseintritt höchstens 40 Jahre alt ist. Traditionellerweise werden viele Manteler bereits als Kinder von ihren Eltern oder Großeltern im Verein angemeldet.

Fast 100-jährige Vereinsgeschichte

Doch die Idee der Selbsthilfe ist keine moderne Erfindung – sie geht fast 100 Jahre zurück in die Vergangenheit. Bis ins Jahr 1926, als im Markt ein Knecht starb. „Der hat natürlich nicht viel Geld gehabt. Dann haben die Manteler gesagt: ‚Was machen wir jetzt? Wir müssen den Mann ja beerdigen‘. Also hat damals jeder ein wenig Geld hergegeben, damit der Knecht bestattet werden konnte“, erzählt Kammerer. Aus dieser Idee entwickelte sich der Verein, der bis heute besteht.

Auch emotionale Unterstützung durch den Verein

Doch die Selbsthilfe leistet nicht nur finanzielle Unterstützung – sondern auch emotionale. Das erlebt Kassiererin Ulrike Schiller immer wieder, wenn sie das Sterbegeld zu den Mitgliedern bringt. Zwischen 20 und 30 Mal macht sie das pro Jahr. „Wir führen da oft lange Gespräche, zwei oder drei Stunden lang. Über den Verstorbenen, eventuell die vorangegangene Krankheit… Die Menschen wollen sich das von der Seele reden“, so Schiller. Zu wissen, dass man nicht alleine ist in der schwierigen Zeit der Trauer – und dass der Ort hinter einem steht. Für viele ist das eine große Stütze.

Neue Mitglieder notwendig für Fortbestand

Fast eine Million Euro hat der Verein in seiner 98-jährigen Geschichte bereits an seine Mitglieder ausgezahlt. Doch aktuell sterben mehr alte Mitglieder, als junge neu eintreten. Damit die wichtige Arbeit des Vereins weiter gehen kann, appellieren die Vereinsvorstände an die Manteler, Mitglied zu werden. Das empfiehlt auch Rita Bayer. Für sie ist es beruhigend, zu wissen, dass ihre Verwandten im Fall ihres Todes auf die Unterstützung des Vereins zählen können. „Das ist auf jeden Fall ein Trost. Ich kann es nur jedem empfehlen, da beizutreten. Es ist einfach eine gute Sache.“

Alle Infos zu dem Verein finden Sie hier. https://selbsthilfe-mantel.de/aufnahme

(az)

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