Mal ein oder zwei Bierchen – das gehört für viele zum Alltag dazu. Auch für Herr S.. Bis es irgendwann fünf und schließlich neun bis zehn Bierflaschen am Tag wurden. Eine Abhängigkeit entwickelte sich – doch der Betroffene erkenne das meistens gar nicht, erzählt Herr S. rückblickend. „Das war wirklich Gewohnheit bei mir. Alltag. Auch wenn meine Kinder oder meine Frau gesagt haben: ‚Musst du denn schon wieder etwas trinken?’“, erinnert er sich. „Selbst nimmt man das nicht als Problem wahr. Man denkt sich: Was haben sie denn? Es ist doch nur ein Bier.“
Wendepunkt Polizeikontrolle
Über mehrere Jahre steigerte sich der tägliche Alkoholkonsum immer weiter – bis zu einer Verkehrskontrolle der Polizei. Für Herr S. ein Wendepunkt. „Heute bin ich froh darüber, dass die Polizei mir den Führerschein abgenommen hat. Denn ich wäre trotz des Alkoholspiegels weitergefahren“, erinnert er sich. Das bereut er heute rückblickend wohl am meisten: dass er jahrelang betrunken Auto gefahren ist. „Das war der größte Unfug, den ich gemacht habe. Gott sei dank ist nichts passiert, sonst wäre es noch einmal eine ganz andere Hausnummer gewesen.“
Hilfe bei der Caritas gesucht
Der heute 63-Jährige holte sich Hilfe. Er geht zur Fachambulanz für Suchtprobleme der Caritas Amberg-Sulzbach. Suchtberaterin Rebekka Kroll weiß: Abhängigkeiten bei älteren Menschen wie bei Herr S. sind kein Einzelfall. Allerdings bekam das Thema Sucht im Alter lange kaum Aufmerksamkeit in der Gesellschaft. Wie viele Menschen deshalb im Alter von Abhängigkeiten betroffen sind, ist schwer zu sagen. „Die aktuellsten Zahlen sind von 2013 von der Deutschen Hauptstelle für Suchtprobleme“, erklärt sie im OTV-Gespräch. „Demnach waren damals fünf Prozent der Menschen, die Hilfe in Suchtberatungsstellen gesucht haben, zwischen 65 und 80 Jahren alt. Und in stationären Einrichtungen nahmen circa drei Prozent der älteren Menschen Suchthilfe in Anspruch. Allerdings gehen wir davon aus, dass die Dunkelziffer von Menschen im Alter, die unter Abhängigkeiten leiden, deutlich höher ist.“
Unterschiede von jüngeren und älteren suchtkranken Menschen
Bei älteren suchtkranken Menschen gibt es deutliche Unterschiede zu jüngeren, erklärt Kroll. „Konsummuster sind im Alter oft anders. Ältere Menschen konsumieren meistens alleine und es ist oft kein klassisches Rauschtrinken“. Außerdem müsse man bedenken, dass im höheren Alter schon kleinere Mengen Alkohol eine höhere Wirkung haben. „Ein 30-Jähriger kann das einfach anders verstoffwechseln als ein 70-Jähriger“, so Kroll. Erschwerend komme dazu: Oft sei es bei älteren Menschen schwer zu unterscheiden, ob körperliche oder geistige Probleme vom Alter kommen – oder von Suchtmitteln.
Therapie lohnt sich auch im Alter
Trotzdem: Auch im Alter lohne sich eine Behandlung, betont Kroll. Die Lebensqualität könne dadurch auch bei älteren Menschen gesteigert werden. Diese Erfahrung hat auch Herr S. gemacht. Er will nie wieder in die Abhängigkeit zurück. „Ich höre von so vielen Freunden und Bekannten: Jetzt bist du wieder so, wie du warst, bevor du getrunken hast. Man ist wieder viel motivierter. Auch wenn es schwer ist: Ich würde jedem raten, sich Hilfe zu suchen.“
Hilfe persönlich, telefonisch oder online
Hilfe gibt es im Amberg-Sulzbacher Raum bei der Caritas in der Dreifaltigkeitsstraße 3 in Amberg. Anmelden können Sie sich telefonisch oder persönlich vor Ort. Online gibt es außerdem die Möglichkeit einer anonymen Chat-Beratung.
Offene Sprechzeiten:
Dienstag von 09:00 – 11:30 Uhr und
Donnerstag von 14:00 – 16:30 Uhr
Anonyme Chat-Beratung:
Mittwoch: 11 bis 12 Uhr
Kontakt:
Telefon: +49 9621 4755-40
Telefax: +49 9621 4755-44
beratung@suchtambulanz-amberg.de
Mehr Infos:
https://www.caritas-amberg.de/beraten-und-helfen/sucht
(az)