Die Metzgerei Fischer in Tirschenreuth – heute läuft hier so einiges ganz anders, also noch vor einem halben Jahr. Damals hat Robert Fischer hier tatsächlich noch Fleisch verkauft – aber das Geschäft lief nicht mehr. Die Kunden blieben weg. Neue Essgewohnheiten, die Bequemlichkeit der Supermärkte, und eine gewaltige Menge Bürokratie nennt Robert als Gründe. Es musste sich etwas verändern. Heute ist das Fleisch verschwunden – abgelöst von Motorradbauteilen.
Die seltsamste Metzgerei der Oberpfalz
Fast 30 Jahre lang stand er an der Spitze der historischen Metzgerei. 120 Jahre lang lag sie in der Familie. Als Geschäftsleiter in der 5. Generation das Familiengeschäft aufzugeben fiel Robert also nicht leicht. Lange hat er mit der Entscheidung gehadert. Schließlich waren es sein Vater und seine Frau, die ihn überzeugt haben. Sie merkten, dass das stagnierende Geschäft an ihm nagt. Geschlafen hat er kaum mehr.
Heute sieht das anders aus. Nach einem Berufswechsel an den Stadtbauhof hat Robert jetzt deutlich mehr Zeit für sein Hobby, und auch gleich die passenden Räumlichkeiten. An Motorrädern schraubt er schon lange. Jetzt ist aus den Schlachthaus seiner Metzgerei eine richtige Werkstatt geworden – aus dem Verkaufsraum: ein Showroom für seine Motorradsammlung.
Scorpio Edition
Anfangs schraubte Robert nur als Hobby an seinen eigenen Motorrädern. Aber als seine handwerklichen Talente sich langsam rumgesprochen haben, wurde daraus ein zweites Geschäft. Da Robert in Biker-Kreisen als Scorpio bekannt ist, fiel die Namenswahl seines Geschäfts nicht schwer. „Scorpio Edition“ schreibt sich das Motto „Low Budget Customs“ auf die Fahne. Robert will die individuellsten Wünsche seiner Kunden erfüllen – aus Serienmaschinen absolute Unikate machen, ohne dabei die Geldbeutel seiner Kunden zu sprengen.
Die Motorräder verlassen Roberts Werkstatt meist völlig anders, als sie hineingerollt sind. Rahmen, Verkleidung, Motor – er traut sich an alles ran, außer an die Bremsen. Den wichtigsten Sicherheitsmechanismus eines jeden Motorrads lässt er nur von absoluten Experten anfassen.
Die Bikes in Roberts Showroom zeigen seine Handwerkskunst genauso wie seine Kreativität. Harley-Davidsons aus den 80ern und Hondas aus den 90ern sind gegenüber ihren Serienversionen kaum wiederzuerkennen. Jede Maschine wurde einzeln an ihren Fahrer angepasst. Eine gehört seiner Frau, eine seiner Tochter – alle ein vollkommenes Unikat.
Zufrieden in die Zukunft
Man merkt – das Schrauben erfüllt Robert. Auch wenn das Aufgeben der Metzgerei also keine leichte Entscheidung war – im Nachhinein meint er, es wäre zehn Jahre zu spät passiert. Wie die Zukunft seines Betriebs aussieht, das wagt er nicht vorherzusagen. Als Haupterwerb könnte es irgendwann funktionieren – seine Kunden werden von Jahr zu Jahr mehr. Aber gleichzeitig merkt er, dass das Motorradfahren nicht mehr so richtig in den Zeitgeist passt. Glücklich macht es ihn nach wie vor. Egal wie es mit dem Geschäft also läuft – das Schrauben wird er sich so schnell nicht nehmen lassen.
(sb)