Der Betrieb im Krankenhaus Vohenstrauß und in der Orthopädischen Rehabilitation in Waldsassen wird eingestellt. Das hat die Kliniken Nordoberpfalz AG heute Nachmittag in einer Pressemitteilung bekannt gegeben. Diese Entscheidung sei Teil eines, so wörtlich, „harten Sanierungskurses“, der die kommunale Trägerschaft weiterhin sicherstellen soll. Nach der Bewältigung der Corona-Pandemie werde der orthopädische Reha-Betrieb in Waldsassen nicht wieder aufgenommen. Der Standort Vohenstrauß scheide zum nächstmöglichen Zeitpunkt aus der akutstationären Versorgung aus. Für beide Standorte seien mehrere Nachfolgenutzungen im Gespräch, so zum Beispiel als Intersektorale Gesundheitszentren. Für das betroffene Personal werde geprüft, ob es an anderen Standorten der AG eingesetzt werden könne.
(az)
Die Pressemitteilung der Kliniken Nordoberpfalz AG:
Aufbruch in neue Zeit
Kliniken Nordoberpfalz AG bringt erste Sanierungsmaßnahmen auf den Weg
Weiden. In der vergangenen Aufsichtsratssitzung der Kliniken Nordoberpfalz AG wurden weitere wichtige Weichen für die zukünftige Ausrichtung des Klinikverbundes gestellt. Oberstes Ziel bleibt weiterhin die Sicherung der kommunalen Trägerschaft. Um dies auch zu erreichen, wird ein harter Sanierungskurs eingeschlagen, auf dem auch strukturelle Änderungen im gesamten Unternehmen unabdingbar sind. Diesbezüglich wurden erste Entscheidungen auf den Weg gebracht.
Unmittelbar betroffen sind die Standorte Waldsassen und Vohenstrauß. So erfolgt nach Bewältigung der derzeitigen Corona-Pandemie keine Wiederaufnahme des Betriebs der Orthopädischen Rehabilitation in Waldsassen. Der Standort Vohenstrauß scheidet zum nächstmöglichen Zeitpunkt aus der akutstationären Versorgung aus.
Für beide Standorte sind mehrere Szenarien der Nachfolgenutzung im Gespräch und werden geprüft. Beispielhaft sind die Realisierung eines Intersektoralen Gesundheitszentrums, die Integration von Arztpraxen, eine Umwidmung in eine Kurzzeitpflegeeinrichtung oder weitere alternative Nachfolgenutzungen denkbar. Entsprechende Gespräche laufen bereits und werden jetzt weiter intensiviert. An beiden Standorten sind die kommunalen Verantwortungsträger eng in die weitere Planung eingebunden. Die Kliniken Nordoberpfalz AG wird an beiden Standorten in der Übergangsphase fachlich begleiten, jedoch in Zukunft nicht mehr als Betreiber oder Liegenschaftsverwalter der neuen Versorgungseinheiten auftreten.
„Uns fallen diese Einschnitte menschlich und fachlich enorm schwer, da wir wissen, was die Teams – berufsgruppenübergreifend – vor Ort in den vergangenen Jahren für hervorragende Arbeit geleistet haben. Aus dem Blickwinkel des wirtschaftlichen Überlebens des Unternehmens jedoch sind diese einschneidenden Schritte unabdingbar notwendig“, so Dr. Thomas Egginger, Vorstand der Kliniken Nordoberpfalz AG. „Es ist uns als Kliniken Nordoberpfalz AG und unseren Gesellschaftern einfach nicht mehr möglich, die seit Jahren praktizierte Unterfinanzierung im Gesundheitswesen und damit des Krankenhauswesens in den bisherigen Strukturen zu kompensieren. Das hat uns in eine dramatische, existenzgefährdende Situation gebracht, der wir nun mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln begegnen.“
Für das Personal vor Ort werden gemeinsam mit dem Betriebsrat aktuell die Möglichkeiten eines Einsatzes an anderen Standorten der Kliniken Nordoberpfalz AG geprüft. „Im Allgemeinen haben wir den Betriebsrat früh über die Gesamtsituation des Unternehmens, insbesondere auch die wirtschaftliche, informiert. Jetzt gilt es, gemeinsam mit Hochdruck daran zu arbeiten, die besten Lösungen für unsere Kolleginnen und Kollegen zu finden“, betont Dr. Egginger.
Außerdem wurde beschlossen, die Gynäkologie und Geburtshilfe am Krankenhaus Tirschenreuth, die zur Bewältigung der Corona-Pandemie kurzfristig ans Klinikum Weiden verlagert wurde, wieder zu eröffnen.
Der Sanierungsplan umfasst auch die Prüfung vieler anderer Bereiche innerhalb des Klinikverbunds, wie beispielsweise Anpassung von medizinischen Leistungsspektren, Optimierungspotentiale in Prozess- und Organisationsthemen oder dem Einkauf. Zudem sind auch bereits viele weitere Maßnahmen eingeleitet oder umgesetzt worden.Zusätzliche Informationen:
Betten: Krankenhaus Vohenstrauß: 40, Orthopädische Rehabilitation Waldsassen: 50 Beschäftigte: rund 65 VK
Sachstand IGZ: Die Realisierung eines IGZ (Intersektoralen Gesundheitszentrums) wird seitens der Kliniken Nordoberpfalz AG sowohl für Waldsassen als auch für Vohenstrauß weiterhin angestrebt. Seitens des Freistaats wurden positive Zeichen für eine Umsetzung signalisiert. Derzeit laufen die Verhandlungen mit den Kostenträgern. Unabhängig vom Standort wird die Umsetzung jedoch nicht durch die Kliniken Nordoberpfalz AG erfolgen. Der Klinikverbund hat aber eine enge fachliche Begleitung zugesichert.
ver.di ist enttäuscht von den Entscheidungen des Aufsichtsrates zur Zukunft der Kliniken Nordoberpfalz AG:
Nachdem am letzten Donnerstag, den 30. April 2020 der Sanierungsplan der Kliniken Nordoberpfalz AG von Seiten des Vorstands zumindest teilweise verkündet wurde, sieht sich die Gewerkschaft ver.di in ihren schlimmsten Befürchtungen bestätigt. „Während die Beschäftigten in den Krankenhäusern aktuell eine breite gesellschaftliche Anerkennung erhalten und als Helden der Corona-Krise gefeiert werden, sind die Sorgen der Belegschaft der Kliniken Nordoberpfalz AG nun Wirklichkeit geworden, die Standorte Vohenstrauß und Waldsassen sind von Schließungen betroffen“, stellt Marina Mühlbauer (ver.di Bezirk Oberpfalz) als zuständige Gewerkschaftssektretärin für das Gesundheitswesen bedauernd fest.
Während noch Anfang April die finanzielle Stärkung der gemeinnützigen Aktiengesellschaft von Seiten der öffentlichen Träger auf den Weg gebracht wurde, werden jetzt massive Einschnitte vorgenommen. „Die Gewerkschaft ver.di macht sich weiterhin für den Erhalt der Häuser unter dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes stark. Wir vertreten die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in den betroffenen Regionen und insbesondere der Beschäftigten, denn letztlich geht es um ihre Arbeitsplätze“, so Alexander Gröbner (Geschäftsführer ver.di Oberpfalz).
Seit Jahren weise ver.di in zahlreichen Gesprächen mit Vertretern aus Politik und Gesellschaft auf die finanzielle Schieflage bei der Kliniken AG hin, ein langfristiges Konzept zur finanziellen Stabilisierung der Kliniken Nordoberpfalz AG fehlte bis vor kurzem. „Im Rahmen einer Betriebsrätevollkonferenz von ver.di und dem Vorstand der Kliniken AG Anfang März wurde zwar über die äußerst angespannte finanzielle Situation informiert, belastbare Zahlen lagen aber zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vor“, führt Marina Mühlbauer weiter aus.
Für ver.di sei es beispielsweise nicht nachvollziehbar, wie es politisch vertretbar sei, dass in der nördlichen Oberpfalz bestehende Krankenhäuser dauerhaft geschlossen würden, während an anderer Stelle Behelfskrankenhäuser sozusagen aus dem Boden gestampft und kostenintensiv betrieben werden müssten. „Ob sich die letzte Woche in der Presse veröffentlichten Entscheidungen kurzfristig positiv auf die angespannte finanzielle Situation der Kliniken Nordoberpfalz AG auswirken, steht vor dem Hintergrund der aktuellen Pandemielage völlig in den Sternen. Die Corona-Pandemie ist längst nicht überstanden und ein mittel- bis langfristiges Konzept fehlt hierzu. Es wäre z. B. eine prüfenswerte Möglichkeit, die Krankenhäuser in Vohenstrauß und Waldsassen für Coronafälle vorzuhalten, während an den anderen Standorten, insbesondere in Weiden, Tirschenreuth und Kemnath, der klinische Regelbetrieb nach und nach wieder starten könnte“, gibt Alexander Gröbner den kommunalen Trägern zu bedenken. „Sie sind in der Verantwortung zur öffentlichen Daseinsvorsorge!“
Für ver.di gelte es jetzt einerseits für ein nachhaltiges Konzept in der Region sowohl beim Vorstand als auch den kommunalen Trägern zu werben, um etwa Lösungsmöglichkeiten für mögliche Pandemiespitzen auszuloten und dauerhaften Betrieb der gemeinnützigen Aktiengesellschaft in kommunaler Trägerschaft zu ermöglichen. „Andererseits werden wir die wohl nunmehr getroffenen unternehmerischen Entscheidungen des Kliniken-Vorstands kritisch begleiten und uns für den Erhalt der Beschäftigung unter dem Geltungsbereich des Tarifvertrags öffentlicher Dienst (kurz: TVöD) für alle Beschäftigtengruppen an allen Standorten des Unternehmens einsetzen!“ so Marina Mühlbauer abschließend.
(Quelle: Pressemitteilung ver.di Bezirk Oberpfalz)