Aussetzung mit Todesfolge. Also schuldig, wenn auch etwas abweichend von der Anklageschrift. Zu diesem Schluss kommt die Staatsanwaltschaft im Weidener Flutkanalprozes nach der umfangreichen Beweisaufnahme. Am Abend wurde heute mit den Plädoyers begonnen.
Oberstaatsanwalt Bernhard Voit fordert mehrjährige Haftstrafen. Der Weidener Flutkanalprozess gegen zwei Männer und eine Frau wegen Totschlags durch unterlassene Hilfe geht in die Schlussrunden. Trotzdem oder vielleicht auch deswegen war es heute ein recht turbulenter Verhandlungstag mit tumultartigen Szenen und mehreren Wutausbrüchen. Mehrere Zeugen wurde wegen lautstarken Zwischenrufen und Störungen des Saals verwiesen, ein Anwalt protestierte lautstark dagegen, dass der Prozess am Freitag bis in die frühen Abendstunden fortgesetzt wurde.
Landgerichtspräsident Gerhard Heindl als Vorsitzender Richter hat heute mehrfach versucht, die Beweisaufnahme zu schließen, worauf die sechs Verteidiger mit immer neuen Beweisaufnahmen reagierten. Gemeinsam beantragten sie, die Beweisaufnahme fortzusetzen – worauf wiederum Oberstaatsanwalt Bernhard Voit ungehalten reagiert. Die Beweisaufnahme gestaltet sich sehr umfangreich, zudem sind noch weitere Beweisanträge der sechs Verteidiger zu erwarten. Alleine heute hat die Große Strafkammer rund 20 Beweisanträge Anträge abgelehnt. Die angebotenen Beweismittel seien entweder völlig ungeeignet, oder für das Urteil ohne Bedeutung oder zum Teil sei das Gegenteil bereits bewiesen. Zusammengefasst: sie seien völlig nutzlos.
Den drei Angeklagten im im Alter zwischen 22 und 25 Jahre wird vorgeworfen, nicht eingeschritten zu sein, als in der Nacht von 11. auf 12. September 2020 der 21-jährige Moritz aus Sulzbach-Rosenberg in Weiden im Flutkanal ertrank. Die ursprüngliche Anklage lautet: Totschlag durch Unterlassen. Demnach seien die drei Angeklagten nicht helfend eingeschritten, als ihr berauschter 21-jähriger Freund Moritz am 11.September 2020 nach einem durchzechten Abend in den Flutkanal gestürzt und schließlich ertrunken ist. Stattdessen hätten sie Videos von dem Drama gemacht. Und gelacht. Ein Vorsatz sei aber nicht nachzuweisen. Deshalb kein Totschlag durch Unterlassen, wie ursprünglich angeklagt.
Oberstaatsanwalt Bernhard Voit forderte dennoch in allen Fällen mehrjährige Haftstrafen. Die beiden Männer sollen demnach für sechs Jahre beziehungsweise viereinhalb Jahre und die Frau für fünf Jahre ins Gefängnis.
Oberstaatsanwalt Bernhard Voit fordert Haftstrafen für die drei Angeklagten
Bildquelle: Gerhard Beer/OTV
Der Oberstaatsanwalt sprach von einem „aufwühlenden Fall“. Er sei fassungslos über das Verhalten der drei Angeklagten: „Man lässt einen Kumpel einfach absaufen!“ Durch Videos vom Geschehen, durch Chatverläufe, Zeugenausagen und die Vorgeschichte ergebe sich ein eindeutiges Bild: Nach dem Besuch einer Shishabar sei der stark betrunkene Moritz plötzlich verschwunden gewesen. Die drei Freunde hätten ihn dann am Ufer des Flutkanals hilflos liegend vorgefunden. „Er winselt zwei mal um Hilfe – Es wird nichts getan“, erzürnt sich der Oberstaatsanwalt. An dieser Stelle hätten sich die drei Angeklagten strafbar gemacht. Moritz habe versucht, sich vom Boden hochzubringen – vergeblich. Die Angeklagten hätten ihm nicht geholfen, stattdessen weitergelacht und gefilmt. Bis Moritz schließlich hilflos ins Wasser gestürzt sei. Voit zitierte einen Chatverlauf von diesem Zeitpunkt: „Er ertrinkt gerade“ – „Lass ihn doch!“ – „Mach ich auch!“.
Die Verteidiger hatten stets angegeben, dass ihre Mandanten gar nicht helfen konnte. Voit wirderspricht:
Sie hätten leicht helfen können. Wenn man das Reinfallen verhindert hätte, säßen wir heute nicht hier.
Voit schüttelte den Kopf über das völlig unverständliche Verhalten:
Sie zeigen keine Reue, keine Schuldeinsicht, kein Beileid, keine Anteilnahme.
Sie hätten sich auch nicht bei den Angehörigen entschuldigt, obwohl sie dabeigestanden seien als Moritz ertrank. „Sie hatten eine Beistehpflicht“, so Oberstaatsanwalt Bernhard Voit. Der Prozess wird am 5. August mit weiteren Plädoyers fortgesetzt. Ein exakter Termin für die Urteilsverkündung steht noch nicht fest. Bislang sind Verhandlungstage bis zum 20. August terminiert.
(gb)