Weiden
Von den abenteuerlichen Anfängen: Geschichte der Demokratie in Bayern
In weniger als zwei Wochen dürfen wir einen neuen Bundestag wählen. Nicht jeder nimmt diese Freiheit war. Dabei ist sie über Jahrhunderte erstritten worden. Wir blicken zum Auftakt unserer Demokratiewoche auf die Geschichte der Demokratie in Bayern.
Nicht stimmberechtigt als Weibsperson – was heute für einen Aufschrei in der Gesellschaft geben würde, war im 19. Jahrhundert in Bayern eine normale Notiz. In solchen Büchern haben die Wahlhelfer festgehalten, wer bei den Wahlen überhaupt stimmberechtigt waren. Nicht nur das Geschlecht spielte dabei eine Rolle – denn Frauen durften erst ab 1919 in Deutschland wählen. Auch das Gehalt war von Bedeutung. Denn nur, wer einen bestimmten Steuersatz bezahlte, durfte politisch mitbestimmen.
Das sei aber auch die Grundidee des Parlamentarismus gewesen, so Dr. Sebastian Schott, Leiter des Stadtarchivs Weiden: Wer viel in die Staatskassen einbezahlt, der soll auch mitbestimmen, was mit dem Geld passiert.
Bayern war damals im 19. Jahrhundert – die ersten Wahlen fanden 1818 statt – noch immer eine Monarchie. Der König hatte also das Sagen. Aber das Parlament hatte das Budgetrecht, sprich: es durfte über den Haushalt entscheiden. Das waren aber auch schon die wichtigsten Kompetenzen des Parlaments. Nicht nur die Zahl der Wahlberechtigten war also in den Anfängen der Demokratie noch eingeschränkt, auch die Befugnisse der Abgeordneten. Die auch nicht direkt gewählt wurden, sondern über Wahlmänner. Was ganz praktische Gründe hatte: Die Wege waren oft weit, Wahlmänner sollten außerdem auch extreme Meinungen herausfiltern.
Keine amtliche Wahlzettel
Parteien kamen erst in den 1860er Jahren auf. Die Deutsche Fortschrittspartei hat sich 1861 gegründet, die SPD 1875. Drei Jahre später wurde die SPD für zwölf Jahre sogar schon wieder verboten, weil Bismarck in der Sozialdemokratie ein gemeingefährliches Bestreben sah. Die Opposition einfach ausschalten – das ist heute in einer ausgereiften Demokratie wesentlich schwieriger. Dafür braucht es jahrelange Prüfverfahren und triftige Gründe. Die Demokratie ist heute also längst ausgefeilter als damals.
Zu den Spielregeln, die sich über die Jahrzehnte erst geformt haben, gehört auch der Wahlzettel. Anfangs durften die Menschen ihre Zettel selbst mitbringen. Großgrund- und Fabrikbesitzer haben den Gang zur Wahlurne und die dafür notwendigen Zettel damals nicht selten noch gemeinschaftlich organisiert – auch um Einfluss auf das Wahlverhalten zu nehmen. Erst seit 1953 gibt es amtliche Wahlzettel.
Die Demokratie hat sich also über Jahrzehnte und Jahrhunderte entwickelt. Bayern hat die Wahlmänner 1905 abgeschafft, Frauen ab 1919 die Stimmberechtigung erteilt und dann auch mit der Abschaffung der Monarchie die Befugnisse des Parlaments erweitert. Kaum nachzuvollziehen, dass von diesen Errungenschaften zuletzt bei der Bundestagswahl 2021 in Bayern 20 Prozent der Wahlberechtigten nicht Gebrauch machten und gar nicht erst zur Wahl gingen… (mz)
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(mz)